Volle Deckung Mr. Bush
daß sie den Film, das Auto, das Stethoskop, die Blindenschrift, die
Fotografie und vor allem den Zauberzeichner (Etch a Sketch, ein in den sechziger Jahren beliebtes Spielzeug, auf dem man
mittels zweier Drehknöpfe Zeichnungen anfertigen konnte. A. d.
Ü.) erfunden haben. Sie haben uns die Aufklärung gebracht, und die Aufklärung hat den Weg für die breite Akzeptanz all der
Ideen und Grundsätze geebnet, auf denen die Gründung der
Vereinigten Staaten beruhte. Außerdem haben die Franzosen die 35-Stunden-Woche und bekommen mindestens vier Wochen
bezahlten Urlaub im Jahr, und wir können darauf nur reagieren, indem wir über ihre Gewerkschaften und über die Streiks
spotten, die ständig ihr Land lahmlegen.
Frankreich war also wirklich die perfekte Zielscheibe. Und es war ein unterhaltsamer Zeitvertreib, auf den Franzosen
herumzuhacken. Warum auch sollte ein Nachrichtensender seine kostbare Sendezeit mit der Frage verschwenden, ob der Irak
wirklich Massenvernichtungswaffen besitzt, wenn er eine lustige Sendung über die bösen Franzosen machen kann?
Und doch, als all die Lügen herauskamen, dachten ein paar
Leute noch einmal darüber nach, was man ihnen über die
Franzosen erzählt hatte und was sie uns wirklich angetan hatten.
Dabei stellte sich heraus, daß die Franzosen eher etwas für uns getan hatten.
-102-
Die meisten Amerikaner können sich kaum mehr daran
erinnern, wer letztes Jahr die Super Bowl gewonnen hat, und sie können sich erst recht nicht merken, wie dieses Land wirklich gegründet wurde.
Wir alle wissen über die Boston Tea Party Bescheid, als die
Kolonisten wegen der Teesteuer ihren eigenen reimportierten
Tee ins Meer warfen. Und wir wissen auch, daß Paul Revere
nach seinem berühmten nächtlichen Ritt die Einwohner von
Concord vor den anrückenden britischen Truppen warnte. Aber
wir neigen dazu zu vergessen, daß wir den
Unabhängigkeitskrieg ohne die Franzosen niemals gewonnen
hätten. Zum Teufel, wir erinnern uns gar nicht gern daran, daß Reveres Vater… ein Franzose war (und nicht Revere, sondern
Rivoire hieß). Auch daß es der französisch-britische Krieg um Kanada war, der für die Kolonisten das Faß zum Überlaufen
brachte, haben viele von uns vergessen. Damals mußten die
Kolonisten Steuern auf Briefmarken und Tee an die britische
Krone bezahlen, um England einen Krieg zu finanzieren, den die Kolonisten nicht zu verantworten hatten. Und als die Wut und Empörung in den Kolonien ihren Höhepunkt erreichte und sie
sich vom Mutterland trennen wollten, wußten sie, daß sie es
allein nicht schaffen würden. Also wandten sie sich an die
Franzosen, und die Franzosen waren begeistert, daß sie bei der Demütigung der Briten helfen durften. Sie schickten uns
Truppen und Schiffe und 90 Prozent des Schießpulvers, das wir verwendeten, und Dutzende Millionen Dollar.
Der Krieg endete in Yorktown, als die Briten vor George
Washington kapitulierten und die Band »The World Turned
Upside Down« (»Die Welt steht auf dem Kopf«) spielte. In
Wirklichkeit jedoch kapitulierten die Briten vor den Franzosen.
Die
Rotröcke waren von der französischen Flotte eingeschlossen,
und an jenem letzten Kriegstag standen mehr Franzosen in den Reihen der Aufständischen als Kolonisten.
-103-
Tatsächlich ist Frankreich immer der beste Freund der
Vereinigten Staaten gewesen. Fast ein Drittel der französischen Direktinvestitionen wird in den USA getätigt. Frankreich ist unser fünftgrößter Auslandsinvestor, und 650000 Bürger der
USA arbeiten bei Franzosen. Die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte wurde von einer Kommission unter Vorsitz von
Eleanor Roosevelt und mit dem Franzosen Rene Cassin als
stellvertretendem Vorsitzenden verfaßt. Und ganz ähnlich wie in Vietnam haben die USA und Frankreich auch im Irak eine
gemeinsame, schmutzige Vergangenheit, in der die Irakische
Erdölgesellschaft, die im Besitz US-amerikanischer, britischer und französischer Ölgiganten war, die Ölfelder der Iraker
ausbeutete.
Trotzdem warfen die Amerikaner den Franzosen alle Arten
von Verrat vor, als es um den Irak ging. Es wurde behauptet, die Franzosen seien nur gegen den Krieg, weil sie wirtschaftlich von dem Regime Saddam Husseins profitierten. Tatsächlich waren
es jedoch die Amerikaner, die einen gewaltigen Schnitt
machten. 2001 waren die USA der führende Handelspartner des
Irak. Sie verbrauchten über 40 Prozent seiner Ölexporte, und ihr Handel mit dem irakischen
Weitere Kostenlose Bücher