Volle Deckung Mr. Bush
egoistischen Motiven unsere Anstrengungen sabotierte, zeugt von einer
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Hinterhältigkeit, die zu einem solchen Zeitpunkt unverzeihlich ist. Es tut mir leid, ich möchte nur… möchte nur jedem
Amerikaner sagen, bleibt weg von Frankreich, reist nach
Großbritannien.«
Die Amerikaner zeigten schnell Wirkung, nachdem sie die
französischen Whopper geschluckt hatten: Französischer Wein
wurde in den Rinnstein gegossen und, in einem neuen
Restaurant in New Jersey, in die Toilette. Französische
Restaurants wurden gemieden. Urlauber sagten ihre
Frankreichreisen ab; die Buchungen gingen um 30 Prozent
zurück. Das Speiserestaurant im Kongreß ersetzte den Begriff
»French Fries« auf seiner Karte durch »Freedom Fries«. Es
folgte dem Beispiel eines Restaurantbesitzers in Florida, der wiederum einem Beispiel aus dem Ersten Weltkrieg folgte, als man »Sauerkraut« in »Freiheitskohl« umbenannt hatte.
Restaurants im ganzen Land zogen nach und, wie es der
Präsident der Restaurantkette Fuddruckers formulierte: »Jeder Gast, der in dem Fuddruckers an seinem Ort an die Theke
kommt und ›Freiheitsfritten‹ bestellt, zeigt, daß er die
Verteidiger unserer wichtigsten Freiheiten und insbesondere die Verteidiger der Freiheit von Furcht unterstützt.« (Ganz zu
schweigen von der Freiheit von Tatsachen: Was wir als »French Fries« bezeichnen, stammt eigentlich aus Belgien.)
Vor über 200 Jahren prägte Patrick Henry den Schlachtruf der amerikanischen Revolution: »Freiheit oder Tod!«
Heute könnte er seinen Patriotismus beweisen, indem er die
Imbißbude wechselt.
French Cleaners, einer in libanesischem Besitz befindlichen Ladenkette im San Joachim Valley in Kalifornien, wurde eines ihrer Geschäfte mit antifranzösischen Graffiti beschmiert, ein anderes wurde niedergebrannt. Das in französischem Besitz
befindliche Hotel Sofitel in Manhattan ersetzte die französische Flagge an dem Gebäude durch das Sternenbanner.
Fromage.com, ein französischer Käsevertrieb, erhielt Hunderte
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feindseliger E-Mails.
In Las Vegas verwendete man ein mit zwei
Maschinengewehren und einer 76-Millimeter-Kanone
bestücktes Panzerfahrzeug, um französischen Joghurt,
französisches Brot, Flaschen mit französischem Wein, Perrier, Grey-Goose-Wodka, einen Reiseführer für Paris und
insbesondere Fotokopien der französischen Flagge zu
zermalmen. Ein britischer Hersteller von französischem Senf
wartete gar nicht erst auf negative Reaktionen seiner
Kundschaft, sondern brachte eine Presseerklärung heraus, in der es hieß: »Das einzig Französische an französischem Senf ist der Name!«
In den ganzen USA fanden Organisationen, die für
französische Austauschschüler Gastfamilien suchten, erstmals seit Jahren nicht mehr genug Plätze.
Ein französischer Drückeberger entging allerdings dem Volkszorn: Der Chefkonditor im Weißen Haus durfte, obwohl er Franzose ist, auch weiterhin Mahlzeiten für den Präsidenten
zubereiten. Es ist schön und gut, wenn man unsere langjährigen Verbündeten durch das Umtaufen von Nahrungsmitteln und die
Verschwendung einer Menge teuren Weins verhöhnt, aber
George W. Bush braucht trotzdem sein pain au chocolat. Es gibt ihm Seelenstärke oder »Freiheitskraft«.
Natürlich war Frankreich eine dankbare Zielscheibe. Zu viele Franzosen sind »grob« zu uns gewesen, und sie haben sich in
ihrer Geschichte immer wieder Despoten gebeugt. Auch wenn
es im Zweiten Weltkrieg tapfere Widerstandskämpfer gab und
viele Franzosen ums Leben kamen, kämpfte Frankreich nicht
wie etwa Rußland bis zum bitteren Ende. Es kooperierte und
kollaborierte mit den Deutschen, besonders als Juden und
Kommunisten zusammengetrieben, deportiert und in
Konzentrationslagern ermordet wurden.
Tatsächlich haben die Franzosen in ihrer Geschichte schon
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diverse fatale Fehler begangen. So errichteten sie zum Beispiel vor dem Zweiten Weltkrieg an der deutsch-französischen
Grenze die Maginot-Linie, um Frankreich gegen eine Invasion
der deutschen Hunnen zu verteidigen. Das Problem war nur, daß die Bunker militärisch wertlos waren und die Deutschen tief in Frankreich standen, bevor jemand »Garcon, bitte mehr von dem stinkenden Käse« hätte sagen können.
Schließlich spielt bei uns auch schlicht und ergreifend die
Eifersucht eine Rolle. Die meisten Amerikaner wissen, daß die Franzosen kultivierter, intelligenter und belesener sind als der durchschnittliche Amerikaner. Wir geben nicht gerne zu,
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