Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)
die ich heute als meine Brüder bezeichne. Zu den Menschen, die keine großen Chancen hatten, als sie in die Problemviertel nach Deutschland kamen und die heute einen festen Arbeitsplatz haben und Deutsch sprechen. Ich würde so gerne erleben, wie Sarrazin meinen Freunden die »enorme Fruchtbarkeit muslimischer Migranten« näher bringt und ihnen die »genetischen Belastungen bedingt durch die Heirat zwischen Verwandten« erklärt.
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Uwe Hück und Bülent Ceylan (links)
Vielleicht würden wir meinen Freund Bülent Ceylan auch dazu holen, einen besseren Stoff für sein nächstes Comedy-Programm wird er so schnell nicht finden. Mit Bülent bin ichbefreundet, seit uns die gemeinnützige Initiative Respekt! Kein Platz für Rassismus GmbH zusammen gebracht hat. Die Initiatoren um die Familie Rudolf aus Frankfurt hatten die Idee, mit uns beiden ein Video zu produzieren, das sie zuerst auf dem alljährlichen Familienfest bei Porsche aufführen und später auf ihre Internetseite stellen wollten. Nach den guten Erfahrungen, die ich schon bei den Dreharbeiten mit Bernd Osterloh gemacht hatte, freute ich mich natürlich auf dieses Projekt. Kris Rudolf, der Produzent des Videos, ließ Bülent und mich in die Rollen von Gangstern schlüpfen, die sich auf einem finsteren, verlassenen Industriegelände trafen. Am Ende des Showdowns deutet alles auf eine Geldübergabe hin, im Koffer aber befindet sich das inzwischen deutschlandweit bekannte Schild der Respekt!-Initiative. Diese Metallschilder hängen inzwischen an fast allen Bundesligastadien, Schulen, Betrieben, Sportplätzen und vielen anderen öffentlichen Einrichtungen. Bülent und ich sind Botschafter dieser Initiative geworden, Porsche unterstützt die Frankfurter, Bülent sorgtmit seiner immer größer werdenden Popularität für eine verstärkte Wahrnehmung der gemeinnützigen Initiative in der Öffentlichkeit. Bei seinem letzten Programm war das Schild ständiges Requisit auf der Bühne.
Bülent und ich sind Freunde geworden, auch wenn wir zwei sehr unterschiedliche Typen sind. Er, der Comedian, der politische Inhalte in seinen Shows überwiegend mit sehr feinem Strich zeichnet – von der Hitler-Parodie einmal abgesehen. Ich, der Betriebsratsvorsitzende, der sich auch von Berufs wegen mit der Politik auseinanderzusetzen hat und der trotzdem oft für einen Comedian gehalten wird. Bülent, dieser in Mannheim geborene Sohn deutsch-türkischer Eltern, gilt ja inzwischen als eines der prominentesten Beispiele für das Funktionieren der multikulturellen Gesellschaft in Deutschland. Auch er würde gerne mal persönlich mit Sarrazin diskutieren, weil er das Gefühl hat, dass die von diesem ausgelöste Diskussion eine einzige Katastrophe ist. Aus Bülents Sicht hat Sarrazin ein falsches Bild gemalt und ein Deutschland skizziert, das nur noch aus Parallelgesellschaften besteht. Es ist nur am Rande lustig, wenn Bülent glaubt, diesen Mist wiedergutmachen zu müssen. Sein Vater Ahmed, der als türkischer Gastarbeiter 1958 nach Deutschland kam, hat die schlechteren Zeiten noch miterlebt. Es hat mich sehr berührt, wie Ahmed auf einen Artikel reagiert hat, den die türkische Tageszeitung Hürriyet über mich verfasst hat und in dem ich auf drei Seiten meine Ansichten zur Integrationspolitik in Deutschland äußern durfte. Der alte Mann hat geweint. Er war ergriffen von der Kraft meiner Worte und ihrer Ehrlichkeit. Ich verglich die Türken in Deutschland mit einer Fußballmannschaft, die wir aber nicht spielen lassen und auf die Ersatzbank gesetzt haben. Dann beschweren wir uns darüber, dass sie keine Kondition haben. »Du musst sie spielenund zum Einsatz kommen lassen, um sie beurteilen zu können«, lautete eine meiner Thesen in Hürriyet . Dann plädierte ich für einen anderen Umgang mit der jüngeren Generation, die oft aneckt und Aggressionen provoziert, weil sie ein Machobild in unsere Gesellschaft zurückgebracht hat, das wir für längst überwunden hielten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Umgang mit diesen Jungs, die diesem Männerbild nacheifern, einfacher ist, wenn du ihren Stolz und ihre Ehre akzeptierst. Ich verlange Respekt, aber von beiden Seiten. Ich habe in meinen Lebensbereichen auch festgestellt, dass vieles einfacher wird, wenn du ihren Straßenjargon verstehst. Ich appelliere an die Lehrer in den Berufsschulen, diese Kinder zu ermuntern, ihre Herkunft nicht zu verleugnen. Sie müssen lernen, konsequent nach dem deutschen Grundgesetz
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