Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
Einer der anderen Sanitäter soll fahren und Kiana soll sich hinten um Dylan kümmern. Der Junge ruft nach Risa, die aber nicht mit ihm einsteigen kann. Einmal mehr verflucht sie innerlich ihren Rollstuhl.
Starkey ist wieder da. Er wendet sich an Connor. »Du fährst also nicht mit?«
»Der Admiral hat den Friedhof erst verlassen, als er hinausgetragen wurde«, sagt Connor. »Ich folge seinem Beispiel.«
Starkey zuckt die Schultern. »Könnte aber feige wirken.«
Connor wirft ihm einen bösen Blick zu.
»Hey, ich meine ja nur.«
»Mir ist es egal, wie das wirkt«, erklärt Connor mit Nachdruck. »Ich tue, was nötig ist, damit hier alles läuft.«
»Tut mir leid, ich wollte nicht unhöflich sein … ich meine, ich muss wohl noch ziemlich viel lernen.«
Starkey nickt Risa respektvoll zu und geht. Doch was er gesagt hat, klebt ihr im Gedächtnis wie ein Kaugummi unter der Schulbank. Connor hat natürlich recht. Wenn er ins Krankenhaus führe, wäre das ein unnötiger Akt der Angeberei – kein Zeichen für Verantwortungsbewusstsein, sondern einfach nur für Arroganz. Risa dagegen hindert nur ihr Rollstuhl. Und wann hat sie sich davon je aufhalten lassen?
»Diesmal fahre ich mit«, sagt sie zu Connor.
Connor wirft die Hände in die Luft. »Risa, das erwartet keiner von dir. Niemand hält dich für einen Feigling, wenn du hierbleibst.« Er schaut zum Minivan. »Und dich da reinzubringen, ist …«
»… zu anstrengend?«, beendet Risa den Satz.
»Ich wollte sagen, zu viel Aufwand, wo doch für den Jungen jede Sekunde zählt.«
Aber sie ist entschlossen. »Nach allem, was die anderen Male passiert ist, muss ich mit.«
»Du hast aber doch gar keinen Einfluss darauf, wie es ausgeht«, beharrt Connor.
»Ich weiß«, erwidert sie, obwohl sie sich da nicht völlig sicher ist. Er geht ein paar Schritte zurück, während zwei Sanitäter ihren Rollstuhl in den Van heben.
»Selbst wenn sie mich kriegen, können sie mich ja nicht umwandeln«, ruft sie ihm in Erinnerung. »Ich bin siebzehn. Und als Behinderte werde ich sowieso nicht umgewandelt.«
»Und wenn sie dich erkennen?«
»Ach, komm schon«, schnaubt Risa. »Die Leute kennen unsere Namen, nicht unsere Gesichter. Wird schon alles gut gehen.« Sie wirft ihm ein schwaches, aber aufrichtiges Lächeln zu, das er gezwungenermaßen erwidert. Es überbrückt nicht die Kluft zwischen ihnen, aber zumindest markiert es die Stelle, an der wieder eine Brücke entstehen könnte. Sie zieht die Heckklappe zu, ohne sich zu verabschieden, weil die beiden insgeheim dem Aberglauben anhängen, dass es besser ist, sich nie zu verabschieden. Risa wird bald bereuen, dass sie es nicht getan hat.
Die Fahrt über den Flugzeugfriedhof, auf dem es keine geteerten Straßen gibt, sondern nur Wüstenboden, der von den Rädern der Flugzeuge festgewalzt wurde, ist holprig. Es sind mehr als eineinhalb Kilometer bis zum Tor. Dylan stöhnt bei jeder Bodenwelle. Als sie zum Tor kommen, öffnen es die Wachleute sofort; sie wurden bereits über den Notfall informiert.
Auf der Teerstraße wird die Fahrt angenehmer und Dylan beruhigt sich ein wenig. Risa tröstet ihn und überwacht Atmung und Kreislauf.
Als sie das erste Mal einen Verletzten ins Krankenhaus bringen mussten, übernahm das Kiana mit einem der anderen Sanitäter. Der geriet schon in Panik, wenn ein Pflaster nicht richtig hielt, war aber der Einzige, der sich bereit erklärte, den Friedhof für dieses Himmelfahrtskommando zu verlassen. Damals war ein Neuankömmling für eine Mutprobe auf das Heck eines Frachtflugzeugs geklettert. Er stürzte ab und erlitt einen Schädelbruch. Risa wäre gern mitgefahren, doch die anderen überzeugten sie, dass es sowieso nichts nützte und außerdem unpraktisch war. Kiana und der nervöse Sanitäter brachten den Jungen ins Krankenhaus, tischten eine erfundene Geschichte auf und legten gefälschte Dokumente vor. Der Junge starb. Beim zweiten Mal war es ein Mädchen mit Blinddarmdurchbruch. Wieder ging es schnell ins Krankenhaus, wieder blieb Risa zurück und auch diesmal starb das Mädchen.
Risa hat keine Ahnung, was sie im Krankenhaus ausrichten kann, aber sie will auch nicht einfach nur auf den Tod des nächsten Patienten warten.
Im Krankenhaus angekommen, hilft Kiana Risa aus dem Van und schleppt dann Dylan allein in den Wartebereich der Notaufnahme. Risa folgt ihr im Rollstuhl.
Nun muss sie ihre Schauspielkünste aktivieren. Sie denkt an ihre Freunde in der Band, die auf dem Dach des
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