Vollidiot
ginge schon okay mit dem Urlaub. Dann zahlt sie, wir gehen zu ihrem Auto, und sie fährt mich nach Hause. Mit ganz lieben Genesungswünschen für meine Schwester entlässt sie mich in meine Wohnung.
Ich fühle mich noch schlechter als am Morgen. Wahrscheinlich, weil meine kleine Schwester in Bamberg studiert, Italienisch statt Spanisch lernt und einen BMW fährt, keine Vespa. Ich will Licht machen, doch nichts passiert. Auf dem Küchentisch liegt ein eilig gekritzelter Zettel:
Hab ich Scheiße gebaut mit Lampe. Liebe Grüße Lala. Ich schaue mich um und entdecke Teile meiner Leuchtan-Lampe in meinem Kehrblech Kehran.
Den Rest des Nachmittags sitze ich im Wesentlichen vor meinem aufgerissenen Paket mit dem fernsteuerbaren Funkhelikopter. Zum ersten Mal erschließt sich mir der Begriff Bausatz in seiner ganzen Tragweite. Das Scheißding besteht aus mindestens eintausend Teilen! Ich gebe für heute auf und schreibe eine SMS an Flik, in der ich ihn darüber aufkläre, dass es mir wieder besser geht und dass ich seit 17:15 offiziell eine schwer verletzte Schwester in einem baskischen Krankenhaus habe. Sicher ist sicher, eulentechnisch. Flik schreibt zurück, dass ich zwar bekloppt wäre, er aber dennoch ein Bier mit mir trinken würde, es gäbe nämlich was zu feiern. Ich freue mich, dass er das Kriegsbeil begraben hat, und sage zu.
TAG AM MEER
Wir sind noch nicht mal beim dritten Pint und hatten eben noch ganz toll über Phil abgelästert, da bricht es aus einem peinlich stolzen Flik heraus. Wie toll doch jetzt alles wäre mit seiner Daniela und wie süß sie wäre, und er hätte ja gar nicht gewusst, wie sehr er das gebraucht hätte, so eine Frau an seiner Seite. Und überhaupt wäre das jetzt offiziell, denn er hätte sie gefragt, ob sie jetzt zusammen wären, und da hätte sie gar nicht gezögert, sondern gesagt: »Sieht so aus!«
»Sie hat gesagt: >Sieht so aus?<«, frage ich stutzig nach.
Ich muss mir Mühe geben, mein Erstaunen zu verbergen.
»Genau!«
Ich mustere Flik, und tatsächlich: Die ersten Veränderungen sind zu bemerken. Es ist nicht nur ein weiterer fleckenloser Abend, nein, nicht mal der obligatorische Hemdzipfel lugt mehr aus seiner todhässlichen C&A Hose. Dennoch: Alles in allem sieht er immer noch scheiße aus.
»Jetzt freu dich doch mal für mich!«, fordert Flik und hebt sein Glas, um mit mir anzustoßen.
Als Zeichen des stillen Protestes trinke ich mein Pint auf ex und rülpse. »Ich freu mich!«
Eine glatte Lüge. Es interessiert mich nicht, dass Flik und seine bescheuerte Daniela jetzt offiziell zusammen sind. Ich will auch nicht wissen, ob sie guten Sex haben oder nicht. Und es geht mir definitiv auch am Arsch vorbei, wie toll man mit ihr lachen und reden kann. Ich sage dies Flik exakt so, weil man einem Freund immer sagen muss, wie man sich gerade fühlt.
Flik schaut ein wenig sparsam und fragt mich, warum ich mich so aufrege, er wolle sein Glück doch nur mit einem Freund teilen. Ich lache ihn aus, weil ich das dann doch sehr bizarr finde, dass mein Freund sein Glück mit mir teilen will.
»Wo ist denn dann mein Teil von deinem Glück?«, schimpfe ich und nehme mechanisch mein viertes Pint entgegen. »Darf ich mit deiner Daniela auf der Couch liegen und fernsehen? Darf ich mit deiner Daniela in den Urlaub fahren oder rumknutschen im Kino? Nur einen Teil des Jahres? Oder zwei Wochen jeden Monat? Zwei, drei Tage die Woche? Ha! Da haben wir's! Natürlich nicht. Einen Scheiß willst du teilen!« Ich habe es geschafft. Von Ausgeglichenheit ist in Fliks Gesicht nun wahrlich nichts mehr zu sehen.
»Du weißt doch, wie ich das meine! Das war metaphorisch gemeint!«
»Mir egal, wie das gemeint ist. Glück teilt man nicht, weil man Glück nicht teilen kann. Man kann es mitteilen, das war's. Penner!«
Mit diesen Worten lasse ich ihn an seinem Glückstisch sitzen. Ich lasse ihn sitzen, weil ich es nicht ertrage, ungefragt vom Glück anderer Leute belästigt zu werden. Wenn er will, dann kann er ja sein Glücksbier austrinken und zu seiner Glücksfrau fahren. Dann kann er sie besinnungslos vögeln, und mit ein klein wenig Glück haben sie in neun Monaten einen Glückskeks. In der Zeit dazwischen können die beiden dann ja gaaaaanz toll quatschen. Wortlos ziehe ich die Ein-gangstüre des Pubs hinter mir zu. Flik versucht nicht, mich zurück-zuholen.
Es ist kurz nach zehn Uhr abends, und ein kalter Wind bläst über die nasse Straße. Ich nehme noch einen Schluck von meinem Pint, das ich
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