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Vollidiot

Vollidiot

Titel: Vollidiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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draufhatte. Lala ist sehr erleichtert, und ich steige unter die Dusche. Als ich mein Haar mit einem Zehn-Euro-Haarausfall-Shampoo einschäume, fällt mir ein, dass ich gar nicht vergessen habe, die Boxenabdeckung auf die Laut-sprecher zu klemmen. Lala hatte sie vor einem Jahr weggeschmissen, weil sie dachte, das wäre ein Teil der Verpackung. Ich schleiche mich, nur mit einem großen Handtuch bekleidet, ins Schlafzimmer, um mir etwas anzuziehen. Ich habe den Schlafzimmerschrank keinen Zentimeter aufgeschoben, da fängt mich Lala ab und zeigt mir eine gelbe Postkarte.
    »Simon, hast du Paket bekommen!«
    Ich reiße Lala die Karte aus der Hand. Darauf ist zu lesen, dass ich heute all die wunderbaren Sachen abholen kann, die ich besoffen im Verkaufsfernsehen bestellt habe. Meine Stimmung steigt. Vielleicht kann ich dann ja sogar noch heute meinen fernsteuerbaren Helikopter fliegen lassen. Außerdem ist dieser Zettel ein guter Grund, die Wohnung zu verlassen und Lala alleine mit ihren Küchenrollen und ihrer Musik herumwirbeln zu lassen. Ich werfe meine Jacke über und gehe zu Fuß in Richtung Hauptpost. Natürlich mache ich einen großen Bogen um unseren T-Punkt-Laden, auch wenn ich nur allzu gerne einen Blick auf das Starbucks-Mädchen geworfen hätte. Die frische Novemberluft tut mir gut. Und wie immer tut sie besonders gut, weil ich mich am Vorabend so richtig abgeschossen habe. Spaziert man nüchtern durch einen Herbsttag, dann atmet man eine normale, banale und selbstverständliche Luft. Wie bemitleidenswert all die kontroll-süchtigen Antialkoholiker sind, die sich zeit ihres Lebens nie über so frische Luft freuen können wie ich. Ja, sie wissen ja gar nicht, was das ist: frische Luft.
    Die Schlange am Paketschalter der Post ist überraschend klein. Die Pakete, die ich gegen Vorlage meiner Karte bekomme, sind dagegen überraschend groß.
    »Wie soll ich das denn tragen?«, protestiere ich.
    »Ja, Sieeee haben das bestellt, nicht ich!«, raunzt mich ein zerfurchter Beamter an.
    Noch bevor ich mich aufregen kann, sehe ich, dass auf beiden Seiten des badewannengroßen Kartons dick und fett Chuck Norris Total Gym aufgedruckt ist. Ich schiebe die drei Pakete von Sergeant Knitterface weg, und weil ich schlauer bin als so manch anderer, weiß ich mir recht schnell zu helfen und binde mir die zwei kleineren Kartons mit Paketschnur auf den großen Total-Gym-Karton. Dann wanke ich wie Obelix aus der Hauptpost. Ich komme nicht sehr weit. Nach exakt zwanzig Metern renne ich in meine Chefin, die Eule.
    Es gibt im Leben schöne und weniger schöne Augenblicke. Mit einem Bier an der Copacabana zu liegen und irgendwelchen Salsa-Hintern beim Volleyball zuzuschauen ist zum Beispiel ein schöner Augenblick. Seiner Chefin in einem Bahnhofscafé zu erklären, warum man ein halbes Fitnessstudio durch die Stadt trägt, nachdem man sich wegen eines Shrimpsdöners krankgemeldet hat, ein eher weniger schöner. Die Eule raucht eine nach der anderen, fast so nervös, als hätte ich SIE beim Blaumachen erwischt und nicht andersrum. Ständig versucht sie, Augenkontakt herzustellen, und sagt dabei Sachen wie: »Weißt du, Simon, ich bin gar nicht mal sauer auf dich, aber irgendwie müssen wir das doch hinkriegen!«
    Ich nippe an einer Orangina, schaue durchs Fenster und nuschle Sachen wie »Kommt nicht wieder vor« und »... ist halt gerade eine blöde Zeit, irgendwie«. Sie schüttelt nur mit dem Kopf, wie sie in letzter Zeit eigentlich immer mit dem Kopf schüttelt, wenn ich in ihre Nähe komme, und sagt, dass ich mich ihr ruhig anvertrauen könnte, wenn ich Probleme hätte.
    Ich sage ihr, dass ich sehr durcheinander sei, wegen all der Telefongespräche ins Krankenhaus nach San Sebastian, wo meine kleine Schwester nach einem schweren Autounfall auf der Intensiv liegt. Dabei wollte sie nur zwei Wochen in diesen Spanischkurs, aber dieser Zeitschriftenjunge auf seiner Vespa hätte ja nicht aufgepasst und wäre ihr direkt vor dem Prado reingefahren.
    »Der Prado? In San Sebastian?«, fragt die Eule.
    »Das Modegeschäft, nicht das Museum!«, versuche ich zu retten. Ich sollte dringend an meinem Allgemeinwissen arbeiten. Dann versuche ich, ein wenig zu weinen. Ich schaffe drei Tränen. Ich weiß, dass das weibisch und doof ist, aber eventuell ja doch gerechtfertigt, wenn es einem den Job rettet. Die Eule umarmt mich und sagt mir, ich hätte all ihre Unterstützung und was ich noch hier machen würde, ich solle sofort runter nach Spanien, das

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