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Vollidiot

Vollidiot

Titel: Vollidiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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ich keine zwanzig Meter vor dem Café stehe, in dem Marcia arbeitet, und dass ich eine Million Latte bestellen und noch morgen heiraten werde. Paula sagt nichts, und das ist kein gutes Zeichen bei ihr. Deswegen ergänze ich:
    »Ich will sie nur sehen, mit ihr sprechen! Das ist mein gutes Recht!«
    »Dein gutes Recht?«, empört sich Paula.
    »Du hast selbst gesagt, ich soll sie kennen lernen, bevor wir heiraten!«
    Am anderen Ende der Leitung höre ich, wie Paula sich eine Zigarette anzündet. Offenbar habe ich was fürchterlich Unsinniges erzählt. Dann, endlich, sagt sie was.
    »Stell dir mal Folgendes vor: Eine besoffene Trulla kommt kurz vor Ladenschluss in den T-Punkt und gesteht dir lallend ihre Liebe. Wie würdest du das denn finden?«
    Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses Gespräch jetzt will.
    »Wie besoffen ist diese Trulla denn, und sieht sie gut aus?«
    »Jetzt nimm doch einmal was ernst!«
    »Jahaaaa ... würde ich scheiße finden, wenn die in den Laden käme, die Trulla, besoffen. Isses das, was du hören willst?«
    Es ist das, was Paula hören möchte.
    »Geh nach Hause und ruf mich von da aus noch mal an, dann kriegst du deinen Paulaplan.«
    Das ist das, was ICH hören möchte.
    »Einen echten Paula-Plan? So wie früher mit Britta, der Zahnarzt-helferin?«, frage ich ganz aufgeregt.
    »Genau wie den mit Britta!«
    »Du bist die beste Paula der ganzen Welt!«
    »Du versprichst mir, dass du heimgehst?«
    »Ich verspreche es!«
    »Dann bis gleich!«
    »Bis gleich!«
    Ich stecke mein Handy weg und lächle zum ersten Mal am Tag.
    Es ist recht leicht, Marcia zu folgen. Erst war ich erschrocken, weil im Inneren des Cafés nur noch die Notbeleuchtung brannte, aber dann sind sie und eine Kollegin doch noch aus dem Laden gekommen, haben abgeschlossen und sind plaudernd Richtung Bahnhaltestelle gegangen. Was ich hier mache, weiß ich nicht wirklich. Ich weiß aber, dass ich in Marcias Nähe sein will. An der Bahnhaltestelle ver-abschiedet sich Marcia von ihrer Kollegin und springt in die Neun. Ich setze mich in sicherer Entfernung in den gleichen Wagen. Die Bahn rattert los. Nach einer Weile passieren wir den Rhein und verlassen das hell erleuchtete Köln in Richtung dunkles Nichts.
    In meinem Hirn gewittert es schon wieder. Keinen Gedanken kriege ich zu Ende. Und wenn ich mal einen klaren Gedanken fasse, dann ist es eine Frage ohne Antwort. Was ist, wenn sie mich entdeckt und sich verfolgt fühlt? Was ist, wenn ich ihr Angst mache? Nach zwei weiteren Stationen sind wir die Einzigen im Waggon. Ich betrachte ihre Spiegelung in der Scheibe. Sie hört Musik über einen Kopfhörer und schaut gedankenverloren nach draußen wie ich. Und sie ist schön wie immer, auch wenn sie heute müde wirkt. Es piepst zwei Mal, dann lese ich folgende Paula-SMS: Ruf mich an, wenn du zu Hause bist. Mach keinen Scheiß!
    Die Bahn erreicht Königsforst, die Endstation der Neun, gute fünfzehn Kilometer vor Köln. Quietschend schiebt sie sich an die Haltestelle, und schließlich öffnen sich die Türen. Als ich aussteige und Marcia folge, ist mir, als betrete ich eine bizarre Filmkulisse. Die Fenster der Häuser sind unbeleuchtet, keine Menschenseele ist unterwegs. Und das um kurz nach elf! Um unerkannt zu bleiben, warte ich eine Weile an der Bahn, bevor ich Marcia folge. Ein wenig komisch ist mir schon. Ich kann auch nicht sagen, dass ich besonders stolz wäre, einer wildfremden Frau nachts bis zu ihrer Wohnung zu folgen. Das Komische an der Situation ist, dass ich mehr Angst habe als sie. Ich ziehe meine Schuhe aus, weil in dieser unglaublichen Stille jeder Schritt zu hören ist. Der Asphalt ist kalt und nass. Nach nur wenigen Metern verschwindet Marcia in einem Hauseingang direkt an der Straße. Ich lasse sie hineingehen, setze mich auf eine kleine Steinmauer auf der gegenüberliegenden Straßenseite und lausche ihren Schritten im Treppenhaus. Da wohnt sie also, die schönste Frau der Welt. In einem mit weißen Fliesen verkleideten Nachkriegsmietshaus, meilenweit vor den Toren Kölns. Ich wünschte, ich könnte sie noch in dieser Nacht da rausholen und ihr etwas Besseres bieten. Ein besseres Leben in einer besseren Stadt in einer besseren Wohnung. Oder noch besser: in einem schönen Haus in der Karibik. Aus einem Fenster im zweiten Stock dringt plötzlich Licht, und dann sehe ich sie. Sehe sie, wie sie erschöpft ihre Jacke auszieht und das Fenster öffnet. Dann knipst sie das Licht wieder aus und zündet einige Kerzen an. Dann

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