Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vollidiot

Vollidiot

Titel: Vollidiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
Vom Netzwerk:
Problemen geplagten T-Punkt-Verkäufers Simon Peters hat dramatisch an Wert verloren. Die Mehrheit der Analysten rät inzwischen dringend, sich von Peters zu trennen. So warten die Anleger seit Jahren vergebens auf längst überfällige Restrukturierungsmaßnahmen im sozialen und beruflichen Bereich. Peters selbst machte gestern auf einer Bilanzpressekonferenz in einem Irish Pub das schwierige Frauenumfeld, den Paschinger Torhüter Schicklgruber und seinen, so Simon wörtlich, »beschissenen Job« für den Kursverfall verantwortlich.
    Enttäuscht über meinen niedrigen Börsenwert, schalte ich den Fernseher aus und nehme ein weiteres Aspirin, das ich mir vorsichts-halber neben das Bett gelegt habe. Dann warte ich, dass die Kopf-schmerzen nachlassen, und versuche, an schöne Sachen zu denken, damit ich wieder einschlafe. Leider fallen mir keine schönen Sachen ein, sondern nur totaler Mist. Ich fühle mich von Minute zu Minute beschissener. Unglaublich, denke ich mir, als ich mich auf die rechte Seite zum Fenster drehe, unglaublich, wie schnell und problemlos man sich selbst für kurze Zeit aus der Gesellschaft schießen kann. Es bedarf nur eines einzigen Anrufs, und schon sitzt man in seinem selbst verschuldeten Eremitentum und ballert sich stumpfe Talkshows in sein Resthirn. Und wennschon. Dann gibt es Simon Peters halt mal einen Tag nicht. Aber was ist, wenn es Simon Peters morgen auch nicht gibt? Und übermorgen? Ich fürchte plötzlich, dass sich mein merkwürdiges Nichtsein nicht nur auf den heutigen Tag bezieht, sondern auf mein ganzes Leben. Simon Peters und das Nichts! Definition über Negation, würden die Psychologen vielleicht sagen. Vielleicht auch nicht, ich kenne keine Psychologen. Ich könnte tausend Dinge nennen, die ich nicht mag, aber was mag ich eigent-lich? Ich drehe mich wieder vom Fenster weg und stecke meinen Kopf unter mein Kopfkissen. Simon Peters mag Starbucks nicht. Simon Peters kommt nicht zur Arbeit. Simon Peters wird diesen Drink nicht mit einem Strohhalm trinken, weil Strohhalme etwas für Schwuchteln sind. Simon Peters geht nicht in so eine Diskothek, denn die Leute da drin sind nicht sein Stil! Wäre ICH denn mein Stil, würde ich mich jetzt kennen lernen wollen? Ich fürchte, nicht. Da haben wir's ja schon wieder! Nicht. Ich überlege kurz, ob ich ein wenig in Sorge dich nicht, lebe blättern soll, bleibe mangels Energie dann aber doch liegen und drehe mich erst wieder zum Fenster und dann auf den Bauch. Auf dem Bauch liegen ist sehr schön und vor allem sicher. Wenn Einbrecher kommen, dann können die einen da nämlich schon mal nicht reinhauen, und aus vielen Krimis weiß ich, dass Einbrecher einen immer in den Bauch hauen wollen, nur nicht die aus Russland, die hauen in die Nieren. Sicherheitshalber drehe ich mich wieder auf den Rücken und lege mein Kissen auf den Bauch. Ich überlege, welchen Grund es wohl gäbe aufzustehen. Mir fällt keiner ein.
    Ich wähle Paulas Nummer, denn vielleicht hat sie ja einen Grund für mich. Leider kriege ich nur ihre Mailbox dran. Ich spreche ein einziges Wort darauf:
    »Hilfe!«
    Dann schlafe ich ein.
    Gegen Mittag lässt mich ein lautes Poltern aus dem Flur zusammenzucken. Was zum Teufel ist das? Ich drehe mich auf den Bauch und lausche gespannt. Fast eine Minute halte ich gespannt die Luft an und rühre mich nicht. Dann erlösen mich kroatische Volksmusik und das Geräusch meines Staubsaugers aus meiner Angststarre. 0 Gott! Heute ist ja Lalatag! Ausgerechnet heute! Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich natürlich zur Arbeit gegangen! Genervt steige ich in meine Trainingshose und mein AI-Bundy-Uni-versity-T-Shirt und schlurfe ins Wohnzimmer. Im Gegensatz zu mir freut sich Lala, mich zu sehen, und stellt den Staubsauger aus.
    »Simon, hab ich gedacht, du bist auf Arbeit!«
    »Bin krank! Hab was Schlechtes gegessen«, sage ich und lasse mich erschöpft in meinen Jennylund-Sessel fallen.
    »Simon, tut mir Leid wegen die Lautsprecher!«
    Was hat sie denn jetzt mit dem Lautsprecher? Was soll damit sein?
    »Bin ich aus Versehen reingesaugt, letzte Woche, aber kommt noch Musik raus!«
    Entsetzt über diese Neuigkeit stürze ich zu meiner 300-Euro-Bose-Box und tatsächlich: Eine eingerissene Bassmembran flattert lustig zu Lalas Volksmusik.
    »Hab ich Scheiße gebaut, Simon?«
    Weil ich kein schlechter Mensch bin und weil ich Geld wie Heu habe, sage ich ihr, dass sie keinen Scheiß gebaut hat und es mein Fehler wäre, weil ich keine Boxenabdeckung

Weitere Kostenlose Bücher