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Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schroeder
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die Mädchen so sehr um ihr Wohlergehen besorgt waren.
    »Rouben hat jeden Tag nach dir gefragt«, fuhr Anna fort.
    »Ja, ich weiß«, sagte Jolin und bemühte sich, gelangweilt zu klingen. »Er hat auch hier einige Male angerufen. Wahrscheinlich kommt er mit Mathe nicht klar.«
    »Ach, du hilfst ihm also dabei?«
    »Klar, wieso nicht?«
    Anna lachte verunsichert. »Logisch. Täte ich ja auch.«
    »Wenn du Mathe könntest«, sagte Jolin spitz.
    »Wie? - Ach so.« Anna lachte noch ein bisschen lauter. Jolin fand, dass es schrecklich unecht klang. »Ich meinte ja auch nur prinzipiell.«
    »Schon klar«, sagte Jolin. Die blöde Bemerkung wegen Mathe tat ihr leid, aber sie schaffte es nicht, sich zu entschuldigen. Es kam ihr vor, als ob sie sich damit unnötig kleinmachte, und gleichzeitig wusste sie, dass genau das völliger Unsinn war.
    Es entstand eine Pause, dann fragte Anna: »Wie geht es dir denn heute?«
    »Ganz gut. Montag komme ich bestimmt wieder in die Schule.«
    »Fein«, sagte Anna. »Dann bis Montag.«
    Jolin legte den Hörer auf und ging in ihr Zimmer zurück. Sie schlüpfte unter die Decke, sah zum Fenster hinüber und dachte an Rouben. Sie versuchte zu ergründen, was sie an ihm so unheimlich, oder treffender gesagt, so seltsam fand. Seine kühle, distanzierte Art? Sein Blick, der nicht wirklich einnehmend, aber dennoch intensiv und manchmal sogar irgendwie warm und vertraut war? Die Tatsache, dass er sich ausgerechnet für sie, das augenscheinlich unattraktivste Mädchen der ganzen Stufe interessierte? Warum fühlte sie sich dann nicht geschmeichelt? »Ist doch ganz einfach«, murmelte Jolin und schloss die Augen. »Du glaubst es nicht. Du hältst es schlicht und ergreifend nicht für möglich. Du traust ihm nicht.«
    Genau das war es: Sie traute weder Rouben noch Anna und schon gar nicht Klarisse oder einem der anderen Mädchen. Die sprachen ja ohnehin nicht mit ihr, immer noch nicht. Den Konversationspart hatte offensichtlich Anna ganz allein übernommen - logisch, als alte Freundin.
    Jolin versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, wenn sie am nächsten Samstag einfach nicht zur Party käme. Sie sah die enttäuschten und wütenden Gesichter der Mädchen, sie hörte Annas Stimme am Telefon, die sich besorgt danach erkundigte, wo sie denn bliebe. »Och, ich hatte keine Lust«, hörte Jolin sich schon beiläufig sagen, dann hatte sie plötzlich einen schalen Geschmack auf der Zunge. Sie wollte nicht solche Gedanken haben. Häme hatte sie immer verabscheut und plötzlich kam sie sich selbst ganz fremd vor. Natürlich würden Klarisse, Anna und die anderen am Freitagabend ein umfangreiches Schönheitsprogramm starten. Wahrscheinlich würden sie sich neue, supersexy Klamotten kaufen und ihre ganzen Verführungskünste aufbieten. Klarisse hatte Hausrecht, sie würde sich ihm als Erste an den Hals werfen. Wenn er sie abwies, würde es die Nächste versuchen. Schließlich hatte Jolin bis zu ihrer Grippe tagtäglich die brennenden Blicke gesehen, mit denen sie Rouben verschlangen. Jede von ihnen wollte ihn, und wenigstens eine sollte ihn kriegen, und zwar noch in der Partynacht. Rouben musste verrückt sein, wenn er da nicht zugriff. Wahrscheinlich wusste er selbst nur zu gut, was ablief, und spielte dieses Spiel längst mit. Vielleicht hatte er sich sogar schon eine ausgesucht.
    Aber warum wollte er dann ausgerechnet sie, Jolin, dabeihaben?
     
    Montagmorgen fühlte Jolin sich tatsächlich wieder vollkommen fit. Sonntags hatte sie in aller Ruhe das Versäumte aufgearbeitet und die anstehenden Arbeiten erledigt. Das Wetter war inzwischen ein wenig milder geworden, der Himmel nur noch dünn bewölkt. Jolin schlüpfte in ihre gefütterte olivbraune Canvasjacke und setzte ihre geliebte Baskenmütze auf, über die Anna sich bereits im vergangenen Winter schrecklich aufgeregt hatte. »Wann schmeißt du das Teil endlich weg?«, hatte sie immer wieder gefragt. »Es ist nicht nur total verblichen, sondern auch noch so was von out.«
    Jolin war das egal. »Wenn es dir peinlich ist, so mit mir gesehen zu werden, dann ...«
    »Was dann?«, hatte Anna gefragt.
    »Dann ist das eben so.«
    Anna hatte sich furchtbar echauffiert. »Du würdest also wegen einer Mütze unsere Freundschaft aufs Spiel setzen?«, hatte sie gewettert, und dann war sie es gewesen, die sich Klarisse, Rebekka, Melanie und den anderen zugewandt hatte. Klar, die waren nicht peinlich, denn die trugen immer nur In-Teile. Besser eine hippe Kopfbedeckung

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