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Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schroeder
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als ein interessantes Gesprächsthema. Jolin hatte Anna nicht wiedererkannt.
    »Ohne Schal?«, fragte Paula Johansson, als Jolin ihr einen Kuss auf die Wange hauchte. »Ist das nicht ein bisschen leichtsinnig?«
    Jolin lächelte. »Aber Ma, bin ich jemals leichtsinnig gewesen?«
    Ihre Mutter schüttelte den Kopf und lächelte ebenfalls. »Nein. Und eigentlich weiß ich nicht mal, ob ich darüber froh sein soll oder ...«
    »Oder was?«
    »Nun ja ...« Paula hob die Schultern. Ihr Lächeln war verschwunden, jetzt guckte sie ernst, fast ein wenig besorgt. »Ein gewisses Risiko gehört doch zum Leben dazu, oder meinst du nicht?«
    »Ma, was soll das?«, fragte Jolin ungeduldig. »Was machst du dir nur für Gedanken?«
    Paula nickte. Sie legte ihrer Tochter die Hand auf die Schulter und drückte sie sanft. »Du hast vollkommen recht, du bist jetzt fast erwachsen, du weißt schon, was du tust.«
    Natürlich wusste Jolin das. Sie hatte es immer gewusst. Sie war einfach nicht der Typ, der ein unnötiges Risiko einging, auch kein gewisses. Dass sie heute keinen Schal trug, hatte damit gar nichts zu tun. Ihre Mutter war diejenige, die die Sache aufbauschte. Wahrscheinlich durchlebte sie gerade eine Krise. Paula Johansson war in diesem Sommer siebenundvierzig geworden. Manchmal litt sie unter Hitzewallungen, manchmal war sie aus heiterem Himmel melancholisch, und manchmal fiel es ihr wohl schwer, ihrer Tochter beim Erwachsenwerden zuzusehen.
    »Tschüs, Ma«, murmelte Jolin zärtlich und küsste ihre Mutter auf den Mund. »Mach dir keine Sorgen, ich bin wieder völlig gesund.«
     
    Rouben wartete auf dem U-Bahnsteig auf sie. Er lehnte am Anzeigenkasten und blickte ihr entgegen. Es war ihm nicht anzumerken, ob er sich darüber freute, sie wieder-Zusehen.
    »Hallo«, sagte Jolin. Sie bemühte sich, unaufgeregt zu klingen, hatte allerdings das Gefühl, dass es ihr nicht wirklich gelang.
    »Hi.« Rouben nickte ihr zu. Seine Miene wirkte verschlossen, seine Augen waren stumpf, und seine Haut schien noch blasser zu sein als in der vergangenen Woche.
    »Geht es dir gut?«, fragte Jolin.
    »Natürlich.«
    »Du siehst nicht so aus, als ob du ...«, begann sie zögernd.
    »Was?«, unterbrach er sie.
    Jolin schüttelte den Kopf. »Ach nichts.« Sie wollte nicht wie ihre eigene Mutter wirken. Wenn Rouben sich eine Erkältung eingefangen hatte, dann war das seine Sache. »Klarisse und die anderen wären bestimmt wahnsinnig enttäuscht, wenn du nicht auf ihre Party kommen könntest«, sagte sie trotzdem.
    »Sie würden es überleben«, erwiderte Rouben kühl.
    »Das denkst du«, sagte Jolin. »Immerhin hat Klarisse die Party extra wegen dir verschoben.«
    Ein kaum sichtbares Grinsen huschte über sein Gesicht. »Wegen dir, meinst du wohl.«
    »Nein. Ich bedeute denen nichts. Gar nichts«, sagte Jolin. Im selben Moment wurde ihr klar, dass sie in ihre eigene Falle getappt war. Jetzt wusste Rouben, dass sie ihn und Anna belauscht haben musste.
    »Ist doch auch egal, nicht?«, sagte er gleichgültig.
    »Was?«, fragte Jolin überrascht.
    »Ob du ihnen etwas bedeutest.«
    »Anna war mal meine Freundin«, sagte Jolin.
    Rouben nickte. Sein Blick glitt in die Ferne. Plötzlich war eine merkwürdige Stille um ihn, beinahe so, als ob er gar nicht richtig da wäre.
    »Hast du keinen Freund?«, fragte Jolin hastig, weil sie diese Stille nicht ertrug und ihn fast berührt hätte, um sich davon zu überzeugen, dass er auch wirklich existierte. »Ich meine, da, wo du herkommst?«
    »Wo ich herkomme ...?« Rouben wandte den Kopf zurück und sah ihr nun ganz direkt in die Augen. »Nein.« Die Bestimmtheit, mit der dieses Wort über seine Lippen kam und sein Blick bedeuteten ihr, dass er keine weiteren Fragen mehr zu diesem Thema duldete.
    Jolin senkte den Kopf. »Tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten.«
    Rouben sog geräuschvoll Luft in seine Lungen. »Keine Sorge«, sagte er. »Das kannst du gar nicht.«
    Jolin spürte eine eisige Übelkeit. Jetzt wäre der Zeitpunkt gewesen, sich abzuwenden und zu gehen und nie mehr ein Wort mit ihm zu reden. Reichte es nicht, wenn sie sich von Klarisse und Anna demütigen ließ? Musste sie sich immer wieder solche Menschen aussuchen? Hab ich nicht, dachte Jolin entschieden. Wenn sich hier überhaupt jemand jemanden ausgesucht hat, dann ist es Rouben gewesen, der mich gewählt hat. - Und schon war der Zeitpunkt verstrichen.
    Die U203 fuhr ein, Jolin trat an den Bahnsteigrand und schlüpfte als Erste in den

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