Vollmondstrand
nougatbraune Ferienhaut und den weißen Hintern dazu.‹
›Der Neid ist ein Köter, was? Island gibt wohl nicht viel her an solchen Reiseandenken!‹, konterte Rosa.
›Geregnet hat es genug. Umsonst ist es nicht so grün dort – das weiß ich jetzt. Doch die Gnome und Elfen, die waren’s wert. Hast du gewusst, dass es Verkehrsschilder gibt, so in der Art ›Achtung, lasst die Erdgeister in Ruh!‹ Die Isländer leben eng mit der Natur. Für uns ist das schon ein wenig ungewohnt.‹
›Und was setzt es an Strafe, wenn sich jemand nicht daran hält?‹
›Wahrscheinlich sterben ihm die Blumenzwiebeln im Garten ab. Oder er sticht sich fortan an Rosen. Vielleicht tritt er auch beim Spazieren in ›Hundeglück‹, wer weiß.‹
›Wenn du das durchdenkst, da hältst du dich lieber an die Vorschrift!‹
›Genau. Bei uns sollte Bacchus einschreiten, wenn jemand betrunken Auto fährt, und ihm eine Säufernase verpassen oder Weinreben statt Haaren.‹
›Ja, oder noch besser, er verwandelt ihn in eine Reblaus!‹
›Über die Sexualtäter lass uns dann morgen weiterreden‹, schlug Maria mutig vor.
›Da gibt’s ja wohl nicht viel zu diskutieren!‹, antwortete Rosa schnell.
Maria zögerte mit ihrer Antwort. ›Glaubst du, ist so die Idee von Karma entstanden?‹
›Wie meinst du das?‹
›Irgendjemand hat einmal gesagt, schaut euch um, dann werdet ihr die Auswirkungen sehen, von eurem Tun!‹
›Du meinst Buddha? Schon möglich.‹ Sie beendete den Chat und schaltete den Computer aus.
Welche Termine standen an bis morgen? Rosa nahm ihren Kalender zur Hand.
Sie saß im Wohnzimmer gemütlich auf der Couch, frische Blumen standen vor ihr auf dem Tisch: weiße Lilien. Rosa hielt es mit Blumen so wie Marti mit Schokolade: Es sollten immer genug davon im Hause sein. Blumen waren ihre tägliche Seelennahrung. Sie war gewohnt, alles, was die Arbeit betraf, in der Praxis zu erledigen: Termine nachschauen, Anfragen beantworten, selbst für Telefonate scheute sie den Weg einen Stock tiefer nicht. Die Trennung zwischen Beruf und Privat war ihr wichtiger als jede Bequemlichkeit. Sie nahm einen Schluck Tee.
Noch eine halbe Stunde, dann kommt Frau K.. Warum hab ich das gar nicht im Kopf heute?, fragte sie sich überrascht.
Frau K. war eine entzückende Person, ein wenig wie aus einem anderen Jahrhundert.
Hätte sie zur Zeit Sisis gelebt, sie hätte bestimmt ihr Glück gefunden. Da dies aber nicht mehr möglich war, brauchte sie jemanden, der ihr die Welt von heute behutsam näherbrachte. Mit staunenden Augen sah sie Rosa manchmal an, als wollte sie sagen: ›Aha, so kann man das auch sehen.‹
Danach würde Frau S. drankommen. Sie war begeisterte Anhängerin diverser esoterischer Richtungen und buchte das Schweigeseminar in Indien genauso wie den Lauf über glühende Kohlen im Hausruck. Hauptsache, sie musste sich nirgendwo wirklich einlassen. Fast wäre sie nicht mehr erschienen, nachdem Rosa ihr erklärt hatte, sie würde bei diesem Ausverkauf nicht mitmachen.
Es folgte Herr P.: Männer kamen oft nur, wenn ihnen etwas wehtat, auf Überweisung des Arztes oder wenn sie andernfalls von ihrer Frau von heute auf morgen verlassen würden. Letzte Weihnachten hätte Rosa eine Männergruppe zum Thema ›Alles, nur nicht allein unterm Baum‹ gründen können.
Würden im Warteraum Pillen ausliegen mit Namen: ›RE-SET‹, die meisten Männer würden sie einwerfen und gar nicht in die Nähe des Praxisraums kommen. Alles sollte ›werden wie früher‹, das war das unausgesprochene Ziel der Behandlungen (mit Ausnahme derer, die wirklich etwas einbrachten). Aber, wer weiß, vielleicht war auch das im Wandel begriffen?
9
Rosa blickte aus dem Fenster in einen grauen Hinterhof. Berufspolitik stand auf dem Programm. Eine Kollegin führte das Wort. Alle anderen schwiegen. »Schade, ewig schade, dass wir’s verschlafen haben«, sang sie leise vor sich hin.
Die Trennung von Psychologie und Psychotherapie als zwei gänzlich eigene Berufe, das gab es nur in Österreich und das seit 1992.
»Kannst du dich an den Förster erinnern, den wir am Hypnose-Kongress kennengelernt haben? Ein witziger Typ, so alt wie ich, und im ersten Semester der Therapieausbildung. Wenn ich heute sag, ich mach das auch, muss ich mich hinter ihm anstellen, dabei beschäftige ich mich seit 26 Jahren mit der Materie«, zischte Kollegin Angelika in Rosas linkes Ohr und verdrehte die Augen. »Das kann’s doch nicht sein, das ist eine Verschwendung von
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