Vom Alptraum verfolgt
hatten, Lieutenant ?«
»Eben dieselbe Frage wollte ich
Ihnen stellen«, sagte ich.
»Mir läuft es eiskalt den
Rücken hinunter«, knurrte er. »wenn ich daran denke, wie wir sie mitten in der
Nacht allein in diesem Sarg haben liegenlassen, während die ganze Zeit über
Marshs Leiche im selben Raum lag .« Sein Mund preßte
sich zu einer harten Linie zusammen. »Eins ist sicher, das hat mich für alle
Zeiten von meiner Lust zu dummen Streichen kuriert .«
»Ich bin so glücklich, daß
Robert Marsh nicht vergeblich gestorben ist, Doktor«, murmelte ich.
Die dunklen zynischen Augen
starrten mich ein paar Sekunden lang wütend an. »Sie dreckiges Mistvieh «, sagte Doktor Landau elegant. »Ich würde am
liebsten...«
Ein lebhaftes Klopfen an der
Tür unterbrach plötzlich seine vom Wunschdenken erfüllten und meine
unmittelbare Zukunft betreffenden Pläne. Die Tür öffnete sich, und eine Blonde
in einem hübschen weißen Kittel trat ein. Sie trug ein Tablett mit Kaffee in
der Hand.
»Ich dachte, Sie hätten
wahrscheinlich ein bißchen Kaffee nötig, Doktor«, sagte sie mit heiter
klingender Stimme. »Vicki hat mir soeben von der Tragödie in dieser Nacht
berichtet. Es tut mir sehr leid um Doktor Marsh. Er
war ein loyaler und hilfsbereiter Kollege. Er wird mir fehlen .«
»Kaye«, sagte Landau und nickte
in meiner Richtung, »dies hier ist Lieutenant Wheeler vom Büro des Sheriffs.
Lieutenant, das ist Kaye Allen, eine meiner Mitarbeiterinnen .«
Das Mädchen stellte das Tablett
auf den Schreibtisch, wandte sich mir zu und blickte mich gelassen an. »Guten
Morgen, Lieutenant.«
Ihr weißblondes Haar war glatt
zurückgestrichen und im Nacken zu einem Knoten geschlungen. Hinter der schweren
Hornbrille blickten ein Paar blaue Augen von der Wärme eines arktischen Winters
hervor. Ihr Gesicht sah sauber geschrubbt und aseptisch aus und ermangelte
jeglichen Make-ups. Vielleicht verbargen sich hinter dem weißen Kittel eine
Menge aufregender Kurven und Rundungen, aber wer vermochte das bei soviel frischgestärktem Stoff zu sagen.
»Doch nicht die Kaye
Allen«, sagte ich mit ungläubiger Stimme, »das Mädchen mit dem sexbetonten
Humor ?«
»Bitte?« Ihre Stimme war
tatsächlich am Überschnappen.
»Das Mädchen, das dachte, ein
schwarzseidenes Leichenhemd würde der diesjährigen Mode in privaten
Beerdigungsinstituten eine besonders schicke Note verleihen«, erklärte ich.
»>Immer stilvoll gekleidet, wenn du schreiend aufwachst<. War das Ihr
Slogan, Miss Allen ?«
»Ach, das meinen Sie«, sagte
sie ärgerlich und wandte dann bedächtig den Kopf ab. »Ich habe dem Lieutenant
ebenfalls eine Tasse mitgebracht, Doktor. Soll ich eingießen ?«
»Danke .« Landau nickte. »Und machen Sie sich nichts aus den bissigen Kommentaren des
Lieutenants. Alles, was mehr Komplikationen in sich birgt als der Raubüberfall
eines Halbwüchsigen auf einen Schnapsladen, verwirrt ihn. Natürlich rebelliert
sein begrenzter Intellekt gegen alles, was einem verwickelten Problem auch nur
entfernt gleichsieht, und sucht Zuflucht in kindischen Beleidigungen und in
einer infantilen Form der Schlagfertigkeit. Die unvermeidlichen
Vereinfachungsmethoden eines schwachsinnigen Gemüts.«
»Natürlich«, sagte sie mit
Schärfe.
Sie wandte mir den Rücken zu,
beugte sich über den Schreibtisch und begann, Kaffee einzugießen.
»Keinen Rahm, danke«, sagte ich
höflich. »Wenn ich eine persönliche Frage an Sie richten darf, Miss Allen — tragen
Frauen in weißen Kitteln immer schwarze Unterwäsche, sozusagen als eine Art
geheimen Ausgleichs? Ich meine, um damit die frigide und geschlechtslose
Erscheinung, die sie für die übrige Umwelt darstellen, zu kompensieren ?«
Ihre Hand zitterte leicht, und
plötzlich glitzerte eine kleine dampfende Pfütze Kaffee auf dem Tablett.
»Bedarf es noch eines weiteren
Beweises für meine eben gemachte Beobachtung ?« schnaubte Landau.
»Sie sind Psychiater, Doktor«,
sagte Kaye Allen gelassen. »Was glauben Sie? Braucht er Hilfe ?«
»Sie sind Biologin, Kaye«,
antwortete er beglückt. »Was halten Sie von seinen Erbfaktoren ?«
Sie brachte mir die Tasse
Kaffee herüber und starrte mir, nachdem ich sie ihr aus der Hand genommen
hatte, volle fünf Sekunden kalt ins Gesicht, bevor sie bedächtig den Kopf
schüttelte.
»Die Abstammung ist klar .« Sie sprach dabei zu Landau, obwohl sie mich weiterhin
unpersönlich betrachtete. »Schwarzes Haar, blaue Augen, helle Haut — vorwiegend
nordisch natürlich.
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