Vom Alptraum verfolgt
Etablissement gehörte — . Was geschah dann ?«
Er blinzelte. »Ich habe sofort
im Büro des Sheriffs angerufen. Woher sollte ich wissen, daß das Mädchen nur
schlief ?«
»Es gibt eine ganze Reihe
Möglichkeiten, das festzustellen«, sagte ich und warf einen sehnsuchtsvollen
Blick in Richtung des schwarzseidenen Leichenhemdes. »Ein paar davon hätten
einen recht plausiblen Eindruck gemacht .«
»Ein blöder Kriminalbeamter ist
schon schlimm genug«, sagte Vicki Landau mit schneidender Stimme. »Einer mit
dreckigen Gedanken ist aber wohl das allerletzte .«
»Ich meine«, fuhr ich fort,
mich noch immer auf den Leichenbestatter konzentrierend, »Sie nahmen sich nicht
die Zeit, nachzusehen, ob Sie vielleicht noch ein paar unregistrierte Leichen hier herumliegen haben ?«
»Natürlich nicht! Sie glauben
doch nicht... ?«
Bei dem Gedanken traten
plötzlich seine Augen aus dem Kopf.
»Bevor wir gehen, sollten wir
uns vielleicht dessen versichern«, sagte ich müde. »Werfen Sie mal einen Blick
in die anderen Särge, Sergeant !«
»Jawohl, Lieutenant.«
Polnik hob den Deckel des ihm
zunächst stehenden Sarges und spähte herausfordernd ins Innere.
»Er ist leer, Lieutenant .« Seine Stimme klang enttäuscht.
»Was für eine Komödie.« Landau
seufzte leicht. »Aber vermutlich müssen Sie ihn hie und da mit ein paar
einfacheren Aufgaben betrauen, damit den arglosen Steuerzahlern gegenüber seine
Anstellung gerechtfertigt ist .«
»Himmel !« Ich betrachtete ihn versonnen. »Ich wollte, ich dürfte für Sie arbeiten,
Doktor. Das wäre sicher ein Mordsvergnügen. Sie trainieren Ihre Angestellten
sicher laufend auf Epileptiker, wie ?«
»Lieutenant!« Polniks Gebrüll hallte an den Wänden wider.
Ich ging zu ihm hin. Er stand
neben dem letzten Sarg, den er durchforscht hatte, den Deckel noch immer in den
Händen. Auf seinem wie mit einem Sandstrahlgebläse gemeißelten Gesicht lag ein
Ausdruck des Triumphs.
»Das muß man Ihnen lassen,
Lieutenant«, sagte er mit ehrfürchtiger Stimme, »Sie haben das Zweite Gesicht,
ganz sicher, und dabei tragen Sie noch nicht mal eine Brille .«
Der Sarg war von einem jungen,
mausartig wirkenden Individuum okkupiert, das friedlich mit über der Brust
gekreuzten Armen dalag. Es hätte das klassische Beispiel für den unauffälligen
Dutzendtyp abgegeben, wäre nicht eine Kleinigkeit gewesen: das durch eine Kugel
verursachte Loch in seiner Stirn.
»Du lieber Himmel !« sagte eine milde erstaunte Stimme in mein Ohr. »Was, um
alles auf der Welt, hat Marsh hier zu suchen ?«
Landau stand neben mir und
starrte auf den Toten im Sarg, seine buschigen Augenbrauen waren zwei
Fragezeichen. Der Doktor, so überlegte ich finster, war der Typ, der noch bei
den Trompeten des Jüngsten Gerichts fragen würde, was eigentlich der ganze Lärm
bedeuten soll.
»Marsh ?« brummte ich ihn an.
»Robert Marsh«, sagte Landau.
»Einer meiner Assistenten. Was, zum Kuckuck, hat er in diesem Sarg zu suchen ?«
»Er spielt tot«, knurrte ich.
»Diese Kugel, die ihm durch den Kopf geschossen wurde, ist natürlich dabei
zweckmäßig .«
Von weiter hinten hörte ich den
Schreckensschrei des dunkelhaarigen Mädchens im Leichenhemd, gefolgt von einem
schwachen Wimmern und einem dumpfen Aufprall, als der kleine Leichenbestatter
erneut in Ohnmacht fiel. Es war genau der Morgen, an dem man daheim und im Bett
hätte bleiben sollen.
ZWEITES KAPITEL
D ie Landau-Forschungsstiftung
befand sich in einem alten zweistöckigen Haus inmitten eines rund
zwanzigtausend Quadratmeter großen Grundstücks, um das sich seit den Tagen der
Schöpfung niemand gekümmert zu haben schien. Ich folgte der mitgenommen
aussehenden Limousine des Doktors die ausgefahrene Zufahrt entlang und parkte
den Healey vor dem Haus. Ich hatte Polnik im
Bestattungsinstitut zurückgelassen, damit er dort auf Doc Murphy und den
Leichenwagen warten sollte, und zwar in der Hauptsache deshalb, weil der Lieutenantsrang schließlich zu einigen Privilegien
berechtigt, wie zum Beispiel dem, nicht herumstehen zu müssen, Formalingeruch einzuatmen und sich mit diesem kleinen
Knilch Brenner unterhalten zu müssen.
Als ich Landau und seine
Tochter einholte, waren die beiden bereits in der Diele und warteten am Fuß der
Treppe auf mich. Helles Sonnenlicht strömte durch die offene Haustür herein. Es
verlieh dem Inneren des Hauses wesentlich mehr Glanz, als die gefärbten
Glasfenster des Beerdigungsinstituts es je vermocht hätten, und das
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