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Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Titel: Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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jeweils mit einer fünfunddreißigköpfigen Bemannung, auch heute noch Gültigkeit besitzt«, las er vor, wobei er vor Mary auf und ab lief. Er trug nur die enganliegende Kniebundhose. An einen Baumstamm gelehnt, genoss sie den Anblick der verhüllten Oberschenkel und seiner nackten Waden.
    »Damit kämen wir bei ungefähr dreißigtausend Wehrhaften an«, fuhr er fort, »wobei das Verhältnis von Wehrhaften und Unwehrhaften eins zu vier ausmacht, ein Verhältnis, das in Europa anders ausfiele, da dort auf einen wehrhaften Mann weitaus mehr unwehrhafte Menschen kämen.« Er hob den Kopf und runzelte die Stirn. »So weit kann man dem Text folgen, oder?« Er strich ihr über das Haar, nahm eine Strähne und drehte sie um seinen Finger.
    Sie sah zu ihm auf und nickte.
    Zufrieden ließ er die Strähne fallen, hob das Papier an und setzte seinen Vortrag fort: »Die Flotte besteht aus einzelnen, aber auch aus doppelläufigen Kanus.«
    »Sei mir nicht böse, aber das Wort ›doppelläufig‹ versteht man in diesem Zusammenhang nicht.«
    Er blieb stehen, runzelte wieder die Stirn, und die weich geschwungenen Brauen wölbten sich über den Augen. Sein Blick umfasste ihre Brüste. Sie schaute an sich herab, die Höfe zeichneten sich unter dem dünnen Gewebe ab.
    »Es war einfacher, als du noch die Brustwickel getragen hast. Wie soll man sich da auch konzentrieren«, sagte er und grinste.
    Mary lachte auf und schüttelte den Kopf.
    »Na, ich meine mit doppelläufig, dass zwei Kanus nebeneinander liegen.«
    »Ich weiß, was du meinst, aber wer diese Boote noch nie gesehen hat, bekommt keine Vorstellung davon. Beschreibe es ausführlicher, oder setze ein Bild daneben.«
    »Gut, dass du so genau zuhörst. Dann werden wir eine Zeichnung einfügen. Kann ich weiterlesen?«, fragte er und nahm seine Wanderung wieder auf. »Einige haben überdachte Hinterteile, teils um von den Befehlshabern als Nachtlager genutzt zu werden, teils um als Proviantschiff zu dienen. Einige Schiffe führen ausschließlich Pisangblätter mit sich, die für die Toten bestimmt sind. Dies sind die Schiffe der Götter.« Für einen Moment sah er auf. »Irgendwelche Anmerkungen?«
    Das Haar auf seiner Brust kräuselte sich, von der Sonne ausgeblichen, setzte es sich gegen die braune Haut sichtbar ab.
Er sieht inzwischen aus wie ein Landarbeiter,
bemerkte Mary.
Sonnenverbrannt und muskulös. Seine englische Blässe ist dahin, und es steht ihm wunderbar. Wer fragt mich eigentlich, wie ich mich da konzentrieren kann?
    »Und? Irgendwelche Anmerkungen?« Wieder lief er an ihr vorbei und strich über ihren Nacken.
    »Was macht man mit den Blättern? Werden die Toten darin eingewickelt? Oder nur damit zugedeckt?«, fragte Mary und spürte die Gänsehaut, die seine Finger hinterließen.
    »Hmmm, ich weiß es nicht. Gut, da müssen wir Owahiri fragen.« Er kratzte sich am Kopf. »Meinst du, das interessiert überhaupt irgendjemanden?«
    »Allerdings. Lass uns diesen Aufsatz noch bis zum Ende durchgehen.«
    Er seufzte und hob die Stimme: »Die Bewaffnung der Kanus besteht aus Speeren, langen Keulen und Streitäxten. Zudem werden Steine mitgeführt, die einzige Bewaffnung, mit der man den Gegner auf eine große Entfernung hinweg erreichen kann.« Absichtlich ließ er das Papier in den Sand fallen. »Mary, egal, wen es interessiert, mich interessieren die militärische Streitkraft und die kriegerischen Auseinandersetzungen der Tahitianer jetzt keinen Deut.« Er kniete sich vor sie und legte seine Hände auf ihre Arme. »Alles hat seine Zeit. Und jetzt ist keine Zeit für den Krieg.«
    Sie strich über seine Wange. Wie mühsam war die Arbeit geworden, seit er in ihr Leben getreten war. Beständig kamen ihr wunderliche Dinge in den Sinn: Sie wollte singen, sie wollte schön sein für ihn, sie wollte, während sie zeichnete, aufstehen, den Pinsel nehmen und seinen Leib damit erkunden, sie wollte tanzen, mit ihm durch die Wellen springen und ihn lieben. Ihn in sich spüren. Immer und immer wieder.
    Halb geöffnet forderten seine Lippen auf, in sie hineinzubeißen, ganz sanft, um ihn dann zu küssen, bis er keine Luft mehr bekam. Flach und schnell ging sein Atem, ein Rhythmus, der sie rasend machte.
    »Welch unfassbares Glück, dass wir uns begegnet sind«, flüsterte er und ließ seine Lippen über ihre Stirn und Augen spielen. »Glaube nicht, dass ich dich jemals wieder von mir lasse.«
    Marys Lachen glich einem gurrenden Stöhnen. Sie genoss das fremde Geräusch und seine

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