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Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Titel: Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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sich nicht an ihm sattsehen.
Es ist fast so wie vor wenigen Tagen. Vielleicht habe ich alles nur geträumt. Gleich fasst er in mein Haar und streicht mir über das Gesicht. Dann lieben wir uns, ganz zärtlich kosten wir jede Berührung wortlos aus. Und erst, wenn wir einander wieder loslassen können, beginnen wir unser Tagewerk.
    »Wie geht es dir?«, fragte sie und wusste, dass diese Frage das Eingeständnis war, dass er ihr nicht über das Haar streichen, sie lieben und mit ihr das Tagewerk beginnen würde. Seine Stirn fühlte sich kühler an. Eine gesunkene Morgentemperatur war zwar der Sieg über die Nacht, doch sie ließ noch keinen Schluss über den Verlauf der Fieberkurve am Tag und noch viel weniger über den Fortgang der Krankheit zu.
    »Besser, viel besser. So eine durchschlafene Nacht lindert so manche Beschwerden«, sagte er, und beide wussten, dass er log.Sie reichte ihm den restlichen Kava-Sud vom Abend und hob seine Decke an, um die Beine freizulegen.
    »Ich gehe die Wickel ausspülen und mache dir dann die Schüssel für die Morgenwäsche fertig.«
    Carl nickte.
    Ich bin wie eine Mutter, die ihre Brut pflegt, und er lässt sich umsorgen. Dieser Baum von einem Mann ist inzwischen zu schwach, meine Zuwendung abzuwehren,
dachte sie, biss sich auf die Lippe und verließ die Hütte.
    Das Meer lag spiegelblank und schimmerte in hellem Türkis. Mary zerrte sich Hemd und Hose vom Leib und rannte mit den Wadenwickeln in der Hand ins Wasser. Die Kälte ließ ihr Herz pumpen und ihren Atem schneller gehen. Als sie sich an die Wassertemperatur gewöhnt hatte, legte sie sich für einen Moment auf den Rücken und ließ sich treiben. Bei Tageslicht verloren die Ereignisse, die nachts bedrohlich erschienen waren, ihren Schrecken. Noch einen Moment genoss sie das seichte Wogen der Wellen und schwamm dann zum Strand zurück. Ihre Kleidung konnte sie später holen, beschloss sie und lief nackt auf die Hütte zu, nur die Wickel in den Händen, um sie Carl wieder nass und kühl anzulegen.
    Das Halbdunkel in der Hütte ließ sie blinzeln, doch kaum konnte sie die Umrisse im Inneren erkennen, schreckte sie zurück.
    Vor ihr stand Carl. Er wankte, seine Augen waren verdreht und halb geschlossen, sichtbar nur das Weiß seiner Augäpfel. Langsam kippte sein Oberkörper nach vorne, und die linke Gesichtshälfte schlug auf die Kante einer der Kisten. Es krachte, derb und dumpf. Mit der rechten Hand riss er im Fallen seine Instrumententasche herunter, aus der sie gestern Schere und Messer genommen hatte. Sein Kopf rutschte am Holz herab, bis er im Sand liegenblieb.
    Mary schrie, fiel auf die Knie und schob ihre Hand unter seinen Kopf. Vorsichtig tastete sie nach Blut und drehte sein Gesicht zusich. Bis auf einige Schrammen konnte sie nichts entdecken. Carl stöhnte, dann öffnete er die Augen.
    »Tut dir etwas weh? Wage nicht noch einmal aufzustehen«, flüsterte sie und raffte die Instrumente um ihn herum zusammen.
    Auf allen Vieren krabbelte Carl zur Matte und zog die Decke über seinen zitternden Leib.
    Derweil riss Mary den Deckel der Medikamentenkiste auf. Irgendwo musste es einen letzten Rest Tee geben, vereinzelte Pastillen, die aus den Tiegeln gefallen waren und von den Büchern zerdrückt auf dem Boden lagen. Vielleicht hatte sie etwas übersehen.
    »Was brauchst du?«
    »Ich schaue nach, ob wir nicht doch noch irgendwo fiebersenkende Medikamente haben. Ein wenig Tee, ein paar vergessene Pastillen, irgendetwas.«
    »Davon gibt es nichts mehr. Komm, setz dich zu mir.«
    Sie ließ den Deckel der Kiste zufallen, ergriff eine Mangofrucht und schnitt sie auf. Ihre Hände bebten noch immer, als sie Carl die Schnitzchen reichte. Sein Arm streifte ihre Finger.
Die Haut glüht,
stellte sie fest und spürte das Entsetzen, das in ihr aufstieg.
Das Fieber steigt wieder, so früh am Tag, das ist ein schlechtes Zeichen.
    Er rang nach Luft, und Mary fasste seine Hand. »Ich werde meine Kleidung holen, sie liegt noch am Strand«, flüsterte sie und küsste seine Fingerspitzen. »Bitte, bleib liegen, ja?«
    Carl nickte und rollte sich zusammen, ein kraftloser Rundrücken unter einer Decke aus Maulbeerbaumrinde.
    Nackt rannte sie den Strand entlang und unterdrückte das Bedürfnis, laut aufzuschreien. Erst als sie ihre Kleidungsstücke erreichte, sank sie in die Knie, riss das Hemd an sich, presste es an ihre Brust, biss in den Stoff und begann haltlos zu schluchzen.
***
     
    Der letzte Funken Optimismus, den die Sonne am Tag geweckt und

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