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Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Titel: Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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zurück. Dann nahm sie Kleid und Laken vom Bett. Weich lagen die Stoffe in ihrer Hand. Sie schaute auf ihre Finger. Hatten so auch die Hände der Mutter ausgesehen, die der Vater in dieser Nacht nicht mehr losgelassen hatte? William hatte in der Tür gestanden. Das Stöhnen der Mutter hing mit dem Geruch von warmem Blut in der Luft. Der bleiche Vater sah die Hebamme an, die beste der Gegend, doch sie schüttelte den Kopf. Weitere Ärzte erschienen in dieser Nacht. William ließ sie eintreten, wie auch die Quacksalber und Kräuterfrauen, die kurz darauf eintrafen. Als sie gingen, verstand er die sorgenvollen Mienen zu lesen. Wenig später kam die Amme, und er wusste nicht einmal, wer sie schickte. Aber er war dankbar, dass sie da war. Nach dem Stillen hatte sie ihm das Kind in die Arme gelegt, und er hatte, als er den Kopf senkte, den Duft wahrgenommen. Diesen ganz eigenen Geruch, den nur Neugeborene haben. Er hatte nicht aufhören können, ihn einzuatmen, im Haus war es darüber still geworden.
    Kaum auf der Welt
, dachte Mary,
lag ich in Williams Armen, und er traute sich kaum, sich zu bewegen. Was mache ich hier bloß? Wie kann ich so grausam gegen ihn sein?
Sie beugte sich vor, wischte die auf dem Boden verstreuten Haarsträhnen zusammen und schob sie in das Stoffknäuel.
Wohin soll ich die Sachen verschwinden lassen? Soll ich sie mitnehmen? Himmel, ich verliere so viel Zeit. Das Bett! Zuerst sollte ich das Bett richten.
    Mary zog ein Laken aus dem Schrank und legte es über ihre Schlafmatte. Konnte sie den alten Mann zurücklassen, ohne noch einmal das Wort an ihn zu richten? Aber er würde um jeden Preis versuchen, ihren Plan zu verhindern.
    Der Stoffballen lag zu ihren Füßen, ihn konnte sie auf keinenFall mitnehmen, er würde hinderlich bei ihrer Flucht sein. Sie hob ihn auf und öffnete die Verandatür in den Garten.
    Geduckt huschte sie wieder an der Hausmauer entlang zum Beet hinüber, doch dieses Mal lief sie weiter bis zum Baldrianstrauch. Mit den Händen bog sie die Zweige beiseite und hob eine Mulde aus, in die sie das Stoffknäuel legte. Mehrfach drückte sie es zusammen, doch es ragte immer noch zu weit aus dem Boden heraus. Tiefer musste sie graben. Sie schob das Knäuel beiseite und griff nochmals in die kalte Erde. Ihr Ringfinger schrammte über einen Stein. Erde und Blut vermischten sich in der Wunde. Mary grub weiter, drückte den Stoff nochmals flach und schob Erde darüber, die sie festklopfte. Dann zog sie die Zweige des Baldrians darüber.
    William wird vergehen vor Angst um mich
, hielt sie sich vor, während sie zum Haus zurücklief.
    Der hintere Trakt war bereits halb geräumt, und sie konnte nur spekulieren, wer Henriettes Favorit als künftiger Ehemann für die Nichte war. James Canaughy oder doch Landon Reed? Selbst wenn sie nicht gehen, sondern sich ins Bett legen und den morgigen Tag wie jeden anderen beginnen würde – das Haar war kurz. Wie sollte sie das erklären?
    »Als die Beerdigung hinter uns lag, Mary, hoffte ich, dass Ruhe einkehren würde«, klang Williams Stimme ihr im Ohr. »Doch Euer Vater hatte nicht nur seine Frau verloren. Er hatte auch jede Kraft, den Glauben an sich und die Medizin verloren. Tagelang saß er im Sessel. Er ging nicht in die Kirche, nicht zu Bett, nicht in sein Behandlungszimmer. Sogar die Patienten musste ich nach Hause schicken.«
    Geh weg, William. Geh aus meinem Kopf.
Mary ließ sich aufs Bett fallen.
    Doch die Stimme des alten Mannes verstummte nicht: »Und wenn man Euren Vater ansprach, nickte er nur. Das Essen, das ihm die Köchin hinstellte, rührte er nicht an. So beschloss ich, Euch zu ihm zu bringen. Ich dachte, wenn er Eure Wärme spürt, EurenDuft riecht, dann würde alles gut werden. Er sah Euch an. Ja, er hielt Euch. Aber seine Arme blieben steif und sein Blick leer. Und mit einem Mal fürchteten wir, auch ihn zu verlieren. An diesem Abend beobachtete ich die Köchin dabei, wie sie die Messer versteckte. Ich habe nichts dazu gesagt und bin zum Waffenschrank gegangen. Dort nahm ich alles, wirklich alles heraus, selbst das Schießpulver und die Putztücher, und brachte es in meine Kammer. Von diesem Tag an traute ich mich nicht mehr, Euren Vater aus den Augen zu lassen. Und so war ich immer in seiner Nähe, während er regungslos aus dem Fenster blickte. Die Köchin brachte mir Getränke, in die sie Pülverchen ihrer Kräuterfrau mischte, damit ich nicht einschlief. Einmal nickte ich doch ein, und als ich erwachte, saß sie neben mir,

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