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Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Titel: Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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Moment über die leere Worthülse.
    »Dieses Problem werden wir nicht so schnell lösen können.«
    »Franklin, bitte, nun sag mir, um was es geht.«
    »Wir haben eine Frau an Bord.«
    Fast hätte Carl aufgelacht ob der Absurdität des Gehörten, doch sein Gehilfe fuhr fort: »Die Frau ist leider im naturwissenschaftlichen Stab, es ist Marc Middleton. Er   … sie ist eine Frau.«
    Die Zeit schien sich zu dehnen, und Carl vergaß das Atmen. Sein Mund öffnete sich, schnappte nach Luft und schloss sich wieder.
    Franklin vergrub das Gesicht in seinen Händen. »Es ist mir so unangenehm, dass mir ein solcher Fehler   … ausgerechnet mir   …«, stammelte er.
    Marc Middleton
. Der Name dröhnte in Carls Schädel und klang dabei hohl und dürr. Er ergriff die Karaffe und lauschte dem Wasser, das er in ein Glas goss. Zu gern wäre er aufgesprungen, hätte mit der Faust auf den Tisch geschlagen, dieses Frauenzimmer zu sich zitiert und gebrüllt, dass er   … Ja, was hätte er ihr entgegengebrüllt? Ruckartig setzte er die Karaffe ab, ließ das Glas stehen und lehnte sich zurück. Er schloss die Augen.
    »Ihr Name ist Mary Linley«, sagte Franklin in das Schweigen hinein.
    Carl riss die Augen wieder auf. »Sie ist die Tochter des Arztes und Botanikers aus Plymouth?«
    Franklin nickte.
    »Ihr Vater ist tot, bei Kap Hoorn ist er umgekommen. Und jetzt denkt sie, sie kann an seiner Stelle durch die Welt reisen?«
    »Ja, das trifft es in etwa. Ihr Vater hat sie ausgebildet und an seinen Forschungen teilhaben lassen. Nach seinem Tod sah sie keine andere Möglichkeit, als sich dieses Mittels zu bedienen.«
    »Von welchem Mittel sprichst du? Dass sie sich als Mann ausgibt und uns zum Narren hält?«
    »Uns war sie bisher, hier auf dem Schiff, eine anständige Gefährtin«, erwiderte Franklin.
    Carl sprang auf und stieß in der Enge der Kajüte schon beim ersten Schritt gegen die Beine seines Gehilfen. Nicht nur Franklin und ihn hatte sie zum Narren gehalten, nein, auch die Navy, den Kapitän, die Besatzung, sie allesamt hatte sie für dumm verkauft. Sicher hatte er davon gehört, dass es immer wieder Frauen gab, die sich als Matrosen auf Schiffen einschleusten, sogar von Piratinnen erzählte man sich. Dass sich Frauen aber nun in die Wissenschaft einschleusten, und das ausgerechnet bei ihm, brachte ihn zur Weißglut. Er hatte nichts gegen Frauen, er hatte nicht einmal etwas gegen denkende Frauen einzuwenden. Hätte sie ihn in ihren Plan eingeweiht, ja, er wäre durchaus bereit gewesen, sich zu überlegen, eine Frau als Mann verkleidet an Bord zu nehmen. Alles war vorstellbar. Doch die Summe der Lügen, die sie angehäuft hatte, war unvorstellbar. Er war Wissenschaftler, auf der Suche nach der Wahrheit, die in den Dingen steckte. Lügner konnte er dabei nicht gebrauchen.
    Du wärst auch ein Lügner gewesen, wenn du sie als Mann verkleidet mit an Bord genommen hättest,
lachte eine Stimme in seinem Kopf auf.
    Erneut stieß Carl gegen Franklins Beine. Aus seinen Gedanken gerissen, blieb er stehen, die Arme auf dem Rücken verschränkt und sah auf die wild umherstehenden Locken seines Gehilfen hinab. »Nein, so einfach ist das nicht, so einfach ist das nicht. Sie hat uns betrogen, und das wiegt schwerer als die geleistete Arbeit. Bei einem Matrosen, der Nägel aus den Wänden zieht, um sie auf einer Insel gegen ungezügeltes Vergnügen einzutauschen, würde auch niemand geltend machen, dass er bisher gute Arbeit geleistet hat. Der Kapitän würde die ihm zustehende Leibstrafe verhängen.«
    Er wartete, aber Franklin bewegte sich nicht und schwieg.
    Wie sie wohl im Kleid und mit langem Haar aussehen mag?
Carls Faust krachte auf den Tisch, dass es schmerzte. Was ging es ihn an, wie sie hübsch zurechtgemacht aussehen würde. Kaum war eine Frau an Bord, und schon irrten seine Gedanken umher.
    »Wissenschaft ist«, setzte er erneut an, »die Erweiterung von Wissen durch Forschung. Soweit sind wir uns einig, ja?«
    Immer noch regte sich Franklin nicht. Still saß er auf dem Rand der Koje und ließ ihn nicht aus den Augen.
    Carls Stimme wurde drohend. »Forschung ist die methodische Suche nach neuen Erkenntnissen. Hiermit meinen wir ihre Dokumentation, eine systematische Aufarbeitung der Ergebnisse und deren Veröffentlichung. Prinzipiell soll also jedermann die Forschungsergebnisse nachvollziehen und für sich nutzbar machen können. Und was, denkst du, hat all das mit einer Frau zu tun, die in Hosen durch die Welt läuft? Die

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