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Vom Baum Der Erkenntniss

Titel: Vom Baum Der Erkenntniss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Gutzkow
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verbunden. Dennoch fehlt dieser Art des Verstandes die Kraft, nachhaltig überzeugen zu können. Ueberzeugend ist nur diejenige Verstandesschärfe, die gleichsam erst im zweiten Treffen wirkt, d. h. die, die nur nothgedrungen in Reih' und Glied eintritt, nachdem zuvor das Gemüth mit Leidwesen bekannte, sich hier nicht an seinem Platze zu befinden.
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    Die Höhe der wahren sittlichen Kraft eines Menschen läßt sich erst dann ermessen, wenn ihn die Umstände aus seiner gewohnten Sphäre gedrängt haben.
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    Starke Geister suchen zuweilen die Aufgabe ihres Lebens lediglich da, wo sie Widerstand finden. Das ist eine große Thorheit. Denn zur Strategik Derer, die in unser Lebensschicksal eingreifen wollen, gehört es ja, daß sie uns Schwierigkeiten und Aufenthalte an Stellen bereiten, wo unser wahrer Lebensberuf gar nichtliegt. So müht sich dann ein Titane ab, mit Felsblöcken Mücken zu treffen.
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    In jedem bedeutenden Menschenleben kommt eine Zeit, wo man anfängt, sein Erlebtes, sein Errungenes und Geschaffenes zusammenhalten, ordnen und verwalten zu wollen. Möge sie dir eine reiche Ernte und die heiterste Ruhe bringen! Bedenke aber auch, es ist dies eine Zeit, die schon Manchem gefährlich wurde; denn in der Freude, etwas geleistet zu haben, oder in dem Drang, sich überreden zu dürfen, man hätte etwas geleistet, schloß man viel zu früh ab und wurde einseitig.
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    In unserem Lebensgang gleichen wir alle dem Däumling im Märchen, der aus dem Walde zurück wollte und die Brodkrumen als Wegspuren von den Vögeln verzehrt fand. Keinen Fehltritt können wir wieder so ungeschehen machen, wie er begangen wurde! Kein Unrecht können wir wieder so gut machen, wie wir es Andern zufügten! Keinen Irrthum können wir wiederso berichtigen, daß sich der Weg zur Wahrheit ganz noch einmal zurück antreten ließe! Wen man verletzte, den kann man nicht genügend zu trösten hoffen durch Abbitte oder durch fernere Unterlassung des Unrechts. Und da mag uns denn auch, wenn wir, wie Däumling, die Siebenmeilenstiefel gefunden haben, die Reue nicht wieder dahin zurück führen, wo nun einmal das Bessere versäumt wurde und ein trauerndes Kreuz sagt, daß hier nichts mehr gutzumachen ist, sondern vorwärts in eine neue Welt, zu neuen Prüfungen, zu bessern Bewährungen.
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    Die meisten Menschen denken aus Gewohnheit nicht, manche aber, und das nicht wenige, aus Furcht.
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    Bemitleidenswerth ist der Mensch als Gattung, wenn selbst der Edelste, von gemeinen Creaturen gehetzt, nicht immer das rechte Mittel zur Abwehr trifft.
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    Zuletzt, du verschlagener Sohn der Hölle, mußt du dich denn doch bequemen, auf die Frage der Ehrlichkeit und der Einfachheit runde Antwort zu geben.
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    Je älter du wirst, desto mehr gewahrst du mit Schmerz, daß du einen gewissen unternehmenden Schwung deines Geistes verlierst. Die Anschauungen, am Maß der Dinge, wie sie sind, gemessen, fangen an, einer überraschenden Originalität zu entbehren, die Gedanken sind nicht mehr von alter Frische und Kühnheit. Nach Entdeckung dieser traurigen Erfahrung haben viele Dichter, Denker, Künstler, Menschen der That und des schaffenden Berufs nach Hülfsmitteln der Wiederbelebung ihrer Geisteskräfte gesucht. Der Eine verfiel auf dies, der Andere auf jenes. Die einzig wahre und einzig fördernde Methode, deinen Geist jung zu erhalten, scheint mir das Vermögen, dir die Stimmungen, ja sogar die Irrungen, sogar die Halbheiten und Träume deiner Jugend wieder wie gegenwärtig zurückzurufen. Die erste Freundschaft, die erste Liebe, die erste Ausfahrt in die Welt mußt du dir mit allen ihren später erkannten Unzulänglichkeiten täglich wieder heraufzubeschwören verstehen und an denSchauern und Wonnen, die süßwehmuthsvoll dann deinen Geist überrieseln werden, wird dir auch wieder jene ewige Zaubergewalt der immer lebendigen Anregung erwachsen, die du im Alter in äußern Hülfsmitteln vergebens suchst.
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    Laß doch all dein Lockenschütteln, dein Augenrollen und dein Händeballen! Das rechte Sturmesbrausen und der rechte Drang, das rechte Wehen zur That fährt nur über den ruhigen Meeresspiegel der Ueberzeugung.
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    Das durch Mühe erworbene Glück ist allein ein wohlthuendes. Es gewährt zugleich die Behaglichkeit eines physischen Ausruhens.
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    Auf sein Leben blickt man, je älter je öfter, zurück wie auf einen aus der Druckerei kommenden sogenannten Aushängebogen. Wie mancher Fehler blieb noch auf ihm stehen trotz der

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