Vom Baum Der Erkenntniss
liebgewinnen.
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Von sich selbst zu abstrahiren ist schwer und sich selbst leibhaftig und ganz objektiv zu sehen, bedeutet sogar den baldigen Tod. Aber eine moralische Anwendung dieses Aberglaubens bliebe es: Um dich zu sammeln und zu prüfen, ob du in allen Dingen auf dem rechten Wege, so versuche die Auffassungen und Pflichten deines Lebens aus der Seele eines Andern herzuleiten, dich ganz in dessen Thun und Lassen zu versenken und das, was du selbst thun oder lassen sollst, gleichsam aus seinem Wesen heraus zu entnehmen – ! Bald wird dir dann gegenwärtig werden, wie auch du – ihm erscheinst und welchen Schatten du überhaupt im Licht des allgemeinen Urtheils wirfst.
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Und doch sind es wunderliche und oft sehr schwierige Naturen, die das Rechte erst aus der Seele eines Andern heraus zu treffen vermögen.
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Ein furchtbarer Augenblick im Leben ist der, wo wir erkennen, daß wir die zu groß angelegten Contouren unseres Daseins nicht mehr mit den Mitteln unserer Person allein auszufüllen vermögen.
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Lotterie führt zu Lotterei.
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Der bedeutende Mensch kommt mit der Zeit auf eine gewisse Höhe, wo ihm Niemand mehr eine aufrichtige Meinung sagt. Dann wird es ihm ein ganz besonderer Segen sein, sich selbst darnach umzuthun.
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Allzu lange andauernde und wol gar zum Lebensberuf gewordene Beschäftigung mit dem Partikularen, Kleinen, Nebensächlichen vermindert die Geisteskräfte. Bibliothekare sind dem Schwachsinnigwerden ausgesetzt. Der Spezialist muß immer bedacht sein, sich die Verbindung seiner kleinen Objekte mit den Gesichtspunkten zu erhalten, die allein den Rundblick aufs Allgemeine und Entscheidende gewähren.
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Zu manchem Menschen kann man sagen: der Himmel wollte, daß du bedeutend wurdest! Er gab dir dafür ein doppeltes Geschenk: es sein zu können und die Lage, die dir eigentlich gebietet, es sein zu müssen! Nur Eines gab er dir nicht, es sein zu wollen.
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Zu beurtheilen sind die Menschen nicht nach der Hebung (Arsis) ihrer Handlungen, sondern nach der Senkung (Thesis).
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Die Bedeutenden unter sich verständigen sich schon. Wären nur nicht die Zwischenträger, die Vermittler, die Mitläufer – !
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Alles, was der Renommist treibt, ist conventionell. Er liebäugelt beständig mit dem qu'en dira t-on ?
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Bilde dir die Befähigung aus, Alles, was du erstrebst und erlebst, dir gegenständlich zu machen und unterzuordnen einem einzigen großen Gedanken, dem leitenden deines ganzen Lebens. Besitzest du dann freilich nicht den Muth, diese Richtschnur deiner Handlungen frei und offen auch mit den Lippen zu bekennen, nun, so kann es an sich den Werth deines Daseins nicht verringern, wenn dessen edleres Wollen auch nur unausgesprochen in ihm treibt, drängt, wirkt, verborgen wie die Blüthe der Religion duftet, Gebet, Selbstbetrachtung, die sich nur unter dem Auge Gottes weiß. Besitzest du ihn aber, diesen Muth, der seinen Handlungen und Unterlassungen, seiner Liebe, seinem Haß,auch äußerlich den Stempel eines weihevollen Ursprungs, das Gepräge bewußten Wollens vor der Welt aufzudrücken wagt, so führst du, wie der Dichter sagt, »ein Schauspiel für Götter« auf, vorausgesetzt, daß Inhalt und Form deines Lebensgedichts immer unter den Gesetzen der Schönheit und Wahrheit zugleich stehen.
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Bitter ist es, das heute zu müssen, was man gestern noch wollen konnte.
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Die Weisheit soll die Klugheit zur Dienerin haben. Jene thront, diese regiert.
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Brach dir am Wagen deines Lebens ein Rad, ei, so flechte die Stücke auf den Giebel deines Hauses und laß – die Störche drin nisten!
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In nichts haben gewisse Tagesschriftsteller ihr Vorbild, die Franzosen, mehr erreicht, als in der Kunst, Dinge und Menschen mit einer kurzen spöttischen Definition zu erledigen.
Die Bildung.
Wenn wir etwas für unsere Bildung verausgaben sollen, so hat uns der Thaler volle dreihundert und sechzig Pfennige. Geben wir etwas für unser Vergnügen aus, hat er nur dreißig Groschen.
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Bildung heißt, sich zu jedem Menschen so stellen, daß das Aneinanderklingen seines und unseres Wesens Wohllaut gibt.
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Nicht dein Nichtwissen gibt dir den Schein der Ignoranz, sondern nur die Art, wie du dein Nichtwissenzu verdecken suchst. Schweige – ! Mancher wird doch vielleicht glauben, du verstündest die Sache, wovon gesprochen wird.
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Die größte Wonne des Wissens und Lernens hat doch nur der Autodidakt.
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Pedanterie zeugt von wenig Begriffen. Niemand ist
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