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Vom Baum Der Erkenntniss

Titel: Vom Baum Der Erkenntniss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Gutzkow
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einverstanden sein, daß der ganze Streit insofern ein müßiger ist, als wahrlich vernünftigerweise keine noch so neue Theorie etwas Anderes wollen kann und wird, als einen Idealismus, der sich real, d. h. auf Voraussetzungen der Natürlichkeit und Wirklichkeit, zu offenbaren und auszusprechen hat, und einen Realismus, der seine Anschauung des Lebens und der bunten Erscheinungswelt zum Kunstwerk zu concentriren sucht.
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    Vom dichterischen Standpunkt aus können Idealismus und Realismus verschiedene Wirkungen hervorbringen, doch in ihrem Werth vor dem Musenhof sindsich beide in dem Falle gleich, daß entweder zur Seele die rechten Glieder oder zu den Gliedern die rechte Seele kam.
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    Verwerflich ist die Zwittergattung, die ein Stück vom Idealismus und ein Stück vom Realismus ist. Idealisiren darf der Künstler, aber er darf es nur in so weit, als dadurch dem Realen kein Abbruch geschieht in dem, was für seine Wesenheit nothwendig ist.
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    Einem idealistischen Dichter läßt man es hingehen, wenn er schreibt: »Die Saaten blühten, die Lerche stieg wirbelnd auf, Lust und Freude wehten über Feld und Flur!« Es ist einfach empfunden, wenn auch nur so obenhin gesagt. Ist nur sein übriges Herz und was er schildert in Ordnung, so ist es wunderlich, wenn der Realist, der zufällig auf dem Lande geboren wurde, kommen wollte und ihn fragen: »Kannst du aber auch Gerste von Hafer unterscheiden? Weißt du, wie die Lerchen des Morgens und wie sie des Abends singen?« Da müßte ihm jeder sogleich erwiedern: »Wieaber dreht der Töpfer die Drehscheibe? Wie viel Procent Sauerteig nimmt der Bäcker in die verschiedenen Brodsorten?«
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    »Publikum,« wie altfränkisch erscheinst du noch unserm Geschlecht! Publikum, das ist so ein alter Vetter in chokoladefarbenem Leibrock, mit langen Schößen, einem gebrannten Jabot über der langen, bis über den Nabel gehenden Weste, hirschledernen Handschuhen, appetitlicher Wäsche und etwas steifen und pedantischen Manieren. Publikum, du abgesetzte Größe aus dem altfränkischen Zeitalter, geh in die Rumpelkammer und setz dich neben einen ausgestopften General aus dem Siebenjährigen Kriege oder ein altes Kostümbild aus den Zeiten Maria Theresiens! Die Kunst, Literatur, Wissenschaft existirt jetzt nur noch für das »Volk.« Das »Volk,« eine große imposante Amazone mit der Mauerkrone auf dem Haupt, hat das kleine Männchen »Publikum« verbannt, ihm höchstens eine der Falten ihrer bauschigen Gewänder zum Schutz angewiesen, wo es mit der Brille Bücher in Ganzfranzbänden studieren und dann und wann zur Herzstärkung eine Prise nehmen kann.
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    »Volksliteratur« kann zweierlei bedeuten: Büchlein, kommst du vom Volke? Oder: Büchlein, gehst du zum Volke– ?
    Kommst du vom Volke, so bringst du uns wol die genauste Kunde mit, wie es unter dem Dach der Armuth, hinterm Pfluge und auf dem Heuboden, am Werkstattstisch, in der Dachkammer, da wo die Gesellen und die Lehrlinge, nicht weit ab von der Regentraufe, schlafen, aussieht. Diese Bücher haben wir gewiß Alle gern, wenn sie Wahrheit bringen, dem Leben abgelauscht sind, ein gutes, sanftes und höchstens einmal zur Förderung des Guten ein wenig zorniges Herz verrathen. Diese von unten kommenden Bücher und Lebensbilder sind uns so willkommen, daß wir sie gerade noch immer höher und höher in der Gunst steigen sehen möchten. Auf seidnen Polstern, auf sammtnen Divans, unter leuchtenden Kerzen hat man schon die vornehmsten Damen über deine Gedanken hinterm Pfluge, ehrlicher Bauer, deine Gedanken auf dem Heuboden, brummischer Knecht, deine Gedanken hinter der Drechselbank, lustiger Gesell, und deine – falls du nicht schnarchst – Gedanken unter der Dachkammer bei der Regentraufe, drolliger Lehrjunge, lachen, weinen gesehen und euer Elend, euer Glück, euere Poesieund euere Prosa las sich gedruckt allerliebst in den zarten, weißen, durchsichtigen Fingerchen mit den blitzenden Diamantringen und den langen, gepflegten, chinesischen Nägeln. Ja sogar höchst verdorbene ästhetische Mägen, Mägen, die an einem ewigen kritischen Sodbrennen litten, haben sich durch die einfache, ländliche oder kleinstädtische Kost dieser Lectüre wieder erholt und all die Unverdaulichkeit überwunden, die bei ihnen die Trüffelpasteten- und Mixed-Pickles-Literatur des Salons zurück gelassen.
    Nun aber die Bücher, die zum Volke zurück gehen sollen!
    Darf ich da ein Geheimniß verrathen? Es besteht einfach darin, daß sich die

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