Vom Buch zum Byte. Kurze Geschichte des E-Books (German Edition)
wie in Europa. Nicht jeder Teenager, der einen Firefox-Browser, Filesharing-Sites oder eine gehackte X-Box nutzt, wird sich bisher als Digital Rights-Aktivist oder sogar als Bürgerrechtler gesehen haben. Die Lektüre von „Little Brother“ kann das jedoch verändern.
Der Lernprozess beginnt sogar schon vor dem Lesen. Denn Doctorows Romane gibt es schließlich nicht nur als kommerzielle Print-Titel, sondern in verschiedenen digitalen Varianten kostenlos im Internet. Nicht nur auf englisch, sondern auch auf deutsch! Möglich macht das die Veröffentlichung des Originals unter einer Creative Commons-Variante, die auch die Bearbeitung des Textes erlaubt. Eine kostenlose, DRM-freie Übersetzung von Christian Woehrl kann man sich ebenso legal wie umsonst herunterladen, etwa im EPUB oder PDF-Format. Für die deutsche Taschenbuchausgabe, übersetzt von Uwe-Michael Gutzschhahn, muss man 9,99 Euro hinblättern. Die kommerzielle E-Book-Version bekommt man zum selben Preis.
Dank DRM-Schutz darf man mit der von Rowohlt herausgegebenen E-Book-Version jedoch genau das nicht machen, was Doctorow selbst für das A und O von digitalen Büchern hält: man kann „Little Brother” in dieser Form weder weitergeben noch verändern. „Dieses Buch soll Teil einer Diskussion darüber sein, was die Informationsgesellschaft für uns bedeutet: geht es um die totale Kontrolle, oder um eine bisher unerhörte Form der Freiheit? Dieses Buch ist nicht nur ein Nomen, es ist ein Verb, etwas, das man tut“, heißt es im Vorwort der Originalausgabe. Zur aktiven Doctorow-Lektüre kann also in Deutschland auch gehören, auf den Kauf der DRM-geschützten Verlagsversion des E-Books zu verzichten.
Der „iPad-Moment“ und die Folgen
„Come see our latest creation“, stand etwas wolkig auf den Einladungen, mit denen Apple im Januar 2010 eine erlesene Schar von Mitarbeitern, Bloggern und Journalisten in das Yerba Buena Center for the Arts in San Francisco eingeladen hatte. Was da kommen würde, war aber mittlerweile allen klar, man sprach nur noch vom „Tablet Event“.
Noch weitaus stärker als Jeff Bezos beim Kindle setzte nun Steve Jobs nämlich bei der Markteinführung auf gezielte PR. „Das letzte Mal, als es so viel Aufregung um eine Tafel mit Schriftzeichen gab, standen die zehn Gebote darauf“, witzelte das Wall Street Journal in Anspielung auf den Vorab-Kult um Jobs und sein „Jesus-Tablet“.
Schon Tage im voraus wurden im Internet eifrig Adressen weiterverbreitet, bei denen man die exklusive Medien-Show per Video-Livestream oder zumindest per Twitter mitverfolgen konnte. Durch gezielt gestreute Informationen waren die wichtigsten Details des Tablets allerdings längst durch Blogs und Gazetten gegeistert. Zu erwarten war offenbar der große Bruder von iPod und iPhone. Doch wie würde das Gerät heißen? Als am Mittwoch um 10 Uhr vormittags Ortszeit Steve Jobs im liturgischen Rollkragen-Gewand auf die schwarz dekorierte Bühne trat, war das Rätsel schnell gelöst: „We call it the iPad“.
Wie lange Apple bereits Pläne zu einem Tablet-PC gehegt hatte, zeigt eine Patentanmeldung aus dem Jahr 2004. „Die Unterlagen enthielten Abbildungen eines rechteckigen elektronischen Tablets mit abgerundeten Ecken, das genauso aussah wie das spätere iPad, und man sah auch einen Mann, der das Gerät lässig in der linken Hand hielt, während er mit seinem rechten Zeigefinger das Display berührte“, schreibt Walter Isaacson in seiner Steve Jobs-Biografie. Auffällig ist dabei die klassische Leseposition – man hält das Gerät in der Hand und schaut auf das Display herab, ähnlich wie beim Lesen eines Buches. Die „Fernseh-Sitzhaltung“ des PC-Zeitalters schien damit endgültig überwunden. Ganz so originell war das mediale Ensemble freilich nicht. Schon der Sci-Fi-Autor Arthur C. Clarke hatte im Buch zum Film „2001 – Odyssee im Weltraum“ ein etwa DIN A 4 großes Lese-Tablet namens „Newspad“ beschrieben, das sich drahtlos mit Content versorgen ließ. Wissenschafts-Astronaut Dr. Heywood Floyd surft mit dem Newspad auf einem Shuttle-Flug zum Mond durch elektronische Ausgaben der wichtigsten Tageszeitungen. Wohlgemerkt im Jahr 1968.
Doch neben der technischen Machbarkeit von Touch-Screens, hochauflösenden Miniatur-Bildschirmen und vor allem leistungsfähigen, aber stromsparenden Chips fehlte lange Zeit offenbar der Glaube daran, dass sich ein solches Gerät überhaupt vermarkten ließ. War nicht auch im frühen 21. Jahrhundert
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