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Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Titel: Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvester Walch
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biologischen Determiniertheit verschoben werden. Auch der publizistische Boom rund um das Thema Evolution, der anlässlich des 200. Geburtstages von Charles Darwin entfacht wurde, ist dieser Tendenz geschuldet. In dem naturwissenschaftlichen Menschenbild verbirgt sich die Illusion, bald die Regie über die Schöpfung übernehmen zu können. Je näher nämlich der Mensch in Richtung Materie gerückt wird, desto formbarer erscheint er. Die Tendenz, den Menschen nur noch als biologisch determinierte Maschine zu sehen, ist würdelos, genauso wie es überheblich ist, davon abzuleiten, dass der Mensch dadurch Schöpfer seiner selbst ist.

    Will man die Vormachtstellung des naturwissenschaftlichen Paradigmas verstehen, lohnt sich ein Blick zurück. Galileo Galilei wurde für seinen genialen Beweis, dass sich nämlich die Erde um die Sonne dreht und nicht das Zentrum des Universums bildet, heftig angegriffen. Die Kirche, die damals über Staat und Wissenschaft herrschte, fürchtete, ihre Vormachtstellung und Autorität zu verlieren. Auch ist es eine massive Kränkung des Ego, die Stellung des Menschen fortan in diesem Maße zu relativieren.
    Diese Konfrontation begann im Hochmittelalter, mit dem sogenannten »Universalienstreit«, der sich damit befasste, ob allgemeine Begriffe oder Sätze wie »der Mensch ist die Krone der Schöpfung« real oder nur ein Kunstprodukt des menschlichen Geistes sind. Der Nominalismus ging von der zweiten Annahme aus und betonte, dass es sich hierbei um Namen (nomen) handelt, die lediglich Schall und Rauch seien und denen kein eigentlicher Wirklichkeitscharakter zugrunde liege. Nur das, was man mit den Sinnen wahrnehmen kann, also das materielle Einzelding sei real. Diese Idee fußt indirekt auch auf dem Atomismus, eine antike Anschauung (Demokrit), nach der die Welt aus kleinsten, nicht weiter teilbaren und mit bestimmten Kräften ausgestatteten Teilchen zusammengesetzt ist. Will man verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält, muss man sie auf ihre kleinstmöglichen Elemente zurückführen. Das Kleine und Molekulare wird damit als fundamentaler angesehen als das Große und Molare. Diese Denkart wird heute als Reduktionismus bezeichnet.
    Gegen Ockham, den Begründer des Nominalismus, und seine Anhänger wurde 1340 das sogenannte »Nominalistenstatut« verfasst, das sich gegen diese neuen Lehren wandte. Die kulturgeschichtliche Erosion, die von dieser Bewegung ausging, war jedoch nicht mehr aufzuhalten: Widersinnige Dogmen wurden in Frage gestellt, die Autorität der kirchlichen Ideologie wurde untergraben und die Unterdrückung des Menschen zunehmend problematisiert. Dieser kulturgeschichtliche Konflikt inspirierte spätere politische Bewegungen, die für Demokratie, Feminismus, Auflösung der Klassengesellschaft und Befreiung der Sexualität eintraten. In gegenwärtigen islamistischen »Gottesstaaten« zeigt sich in dieser Hinsicht eine eigenartige Ambivalenz. Einerseits wird die technische Entwicklung mit immensen Mitteln vorangetrieben, andererseits werden aber wissenschaftliche Ergebnisse, die dem Koran widersprechen, als nicht mit dem »wahren Glauben« vereinbar abgetan.
    Eine weitere wichtige Leitfigur in der Entwicklung der modernen Wissenschaftstheorie kann in René Descartes gesehen werden. Er förderte durch seine fundamentale Unterscheidung von Naturding (res extensa) und Geistesding (res cogitans), die wie zwei parallel laufende Uhren nichts miteinander zu tun haben, die Unversöhnlichkeit zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, die bis in die Gegenwart fortdauert. So werden auch heute noch körperliche Leiden erst dann nach ihrer psychodynamischen Bedeutung befragt, wenn die Apparatemedizin keine Heilung mehr verspricht.
    Aus dem galileisch-cartesianischen Weltbild entwickelten sich nach und nach die wissenschaftstheoretischen Konzepte des Positivismus und Empirismus, die bis ins 20. Jahrhundert die Bedingungen bestimmten, was als wissenschaftlich zu gelten habe und was nicht. Zusammengefasst fordert der Positivismus, nur solche Sachverhalte zu untersuchen, die durch das Wort »positiv«, also positiv vorhanden, charakterisiert sind. Davon ausgehend müssen, nach den Grundsätzen des Empirismus, Untersuchungsgegenstände objektiv und zuverlässig beobachtet, gemessen und überprüft werden können, also alles, was wir wiegen, sehen, tasten oder hören können.
    Erst bei genauerer philosophischer Analyse erkennt man, dass in diesen Forderungen verdeckte Widersprüche

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