Vom Ende einer Geschichte
geschlafen, damit ich wieder zu dir zurückkomme?«
»Ich muss nicht mehr auf deine Fragen antworten.«
»Und wenn ja – warum wolltest du nicht mit mir schlafen, als wir noch miteinander gingen?«
Keine Antwort.
»Weil du es nicht nötig hattest?«
»Vielleicht wollte ich nicht.«
»Vielleicht wolltest du nicht, weil du es nicht nötig hattest.«
»Tja, du kannst glauben, wozu du Lust hast.«
Am nächsten Tag brachte ich ein Milchkännchen, das sie mir geschenkt hatte, in den Oxfam-Laden. Ich hoffte, sie werde es im Schaufenster sehen. Aber als ich nachschauen ging, war da etwas anderes ausgestellt: eine kleine kolorierte Lithografie von Chislehurst, die ich ihr zu Weihnachten geschenkt hatte.
Wenigstens studierten wir verschiedene Fächer, und Bristol war so groß, dass wir uns nur gelegentlich über den Weg liefen. Wenn es passierte, überfiel mich etwas, was ich nur als Vor-Schuldgefühl bezeichnen kann: die Erwartung, sie werde etwas sagen oder tun, damit ich mich richtig schuldig fühlte. Doch sie ließ sich nie dazu herab, mit mir zu sprechen, sodass sich diese Befürchtung allmählich legte. Und ich sagte mir, ich hätte keinen Grund, mich schuldig zu fühlen: Wir waren beide fast erwachsen, selbst verantwortlich für das, was wir taten, und waren aus freien Stücken eine Beziehung eingegangen, die nicht geklappt hatte. Niemand war schwanger geworden, niemand war getötet worden.
In der zweiten Woche der Sommerferien kam ein Brief mit einem Poststempel aus Chislehurst. Ich sah mir die unbekannte Handschrift – verschlungen und etwas nachlässig – auf dem Umschlag an. Eine weibliche Schrift: zweifellos ihre Mutter. Wieder ein Anfall von Vor-Schuldgefühl: Vielleicht hatte Veronica einen Nervenzusammenbruch erlitten, war entkräftet und nur noch ein Schatten ihrer selbst. Oder sie lag mit einer Bauchfellentzündung im Krankenhaus und hatte Sehnsucht nach mir. Oder … aber ich wusste selbst, dass das größenwahnsinnige Fantasien waren. Der Brief kam tatsächlich von Veronicas Mutter; er war kurz und zu meinem Erstaunen kein bisschen vorwurfsvoll. Es tue ihr leid, dass wir uns getrennt hätten, und sie sei sicher, dass ich eine passendere Partnerin finden werde. Doch das meinte sie offenbar nicht in dem Sinn, dass ich ein Schuft sei, der eine Partnerin von ähnlich niedriger moralischer Gesinnung verdient hätte. Eher klang das Gegenteil an: dass ich glücklich davongekommen sei und sie für mich das Beste hoffe. Ich wünschte, ich hätte diesen Brief aufbewahrt, denn er wäre ein Beleg, eine Bestätigung gewesen. So aber habe ich nur meine eigenen Erinnerungen als Beweis – Erinnerungen an eine unbekümmerte, ziemlich fesche Frau, die ein Ei zerlaufen ließ, ein zweites für mich in die Pfanne schlug und mir riet, ich solle mir von ihrer Tochter nichts gefallen lassen.
Ich kehrte für mein letztes Studienjahr nach Bristolzurück. Das normal große Mädchen, das hohe Absätze trug, war nicht so an mir interessiert, wie ich mir eingebildet hatte, und so konzentrierte ich mich auf mein Studium. Ich glaubte nicht, dass ich das Zeug dazu hatte, mein Examen mit Auszeichnung zu bestehen, aber ich wollte unbedingt ein »Sehr gut« schaffen. Zur Erholung gönnte ich mir freitags einen Kneipenabend. Einmal kam ein Mädchen, mit dem ich mich unterhalten hatte, mit zu mir und blieb über Nacht. Das war angenehm aufregend und effektiv, aber danach meldete sich keiner von uns wieder. Darüber dachte ich damals weniger nach als heute. Vermutlich sehen spätere Generationen nichts Besonderes an solchen Entspannungsübungen und finden dieses Verhalten für heute ebenso normal wie für damals: Schließlich waren »damals« die Sechzigerjahre. Stimmt schon, doch wie gesagt, es kam darauf an, wo – und wer – man war. Wenn du mir eine kurze Geschichtslektion gestattest: Für die meisten Leute fanden »die Sechziger« erst in den Siebzigern statt. Was logischerweise bedeutete, dass in den Sechzigerjahren für die meisten Leute noch die Fünfziger stattfanden – oder in meinem Fall, Teile beider Jahrzehnte nebeneinander. Was die ganze Sache ziemlich verwirrend machte.
Logik: Ja, wo bleibt da die Logik? Wo bleibt sie zum Beispiel im nächsten Moment meiner Geschichte? Etwa in der Mitte meines letzten Studienjahres bekam ich einen Brief von Adrian. Das war ein immer selteneres Ereignis geworden, da wir beide fleißig für unser Examen arbeiteten. Von ihm wurde natürlich erwartet, dass er mit Auszeichnung
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