Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Branstner
Vom Netzwerk:
Kraftschyk.
    »Natürlich nicht!« rief Fontanelli.
    »Aber sie sind wirklich«, sagte Kraftschyk. Er erhob sich lächelnd, trat zum Fenster und zog die Gardine zur Seite. Und da es der Stand der Dinge so wollte, war gerade der volle Mond zu sehen. Umrahmt von der Schwärze des Alls, schien er hier oben nicht nur größer zu sein als von der Erde aus gesehen, man hatte auch den Eindruck, daß es nur wenige Schritte hinter dem Fenster aufgehängt sei.
    »Ein schöner Anblick«, meinte der Himmelsgärtner.
    Kraftschyk hatte sich indessen wieder am Tisch niedergelassen und wies auf die Erde hinab. Dort war, da es wiederum der Stand der Dinge so wollte, heller Tag, und der Stille Ozean, den sie soeben überflogen, schimmerte in einem wunderbaren Blau. Und wieder war es der Himmelsgärtner, der die Schönheit des Anblicks lobte. Seine Blicke wanderten vom Tisch zum Fenster und zurück zum Tisch.
    »Wir haben es gut getroffen hier oben«, meinte er jetzt, »solche herrlichen Ausblicke bietet in der ganzen Welt wohl mir das ›Wirtshaus Zum Müden Gaul‹. Tag und Nacht in einem, und noch dazu in voller Pracht.«
    »Wirsing sagt es: Tag und Nacht in einem.« Kraftschyk trank sein Glas mit sichtlichem Behagen aus und setzte es, dem Automatendoktor zulächelnd, ab. »Was du für unmöglich erklärt hast, ist unbestreitbar wirklich, noch dazu in voller Pracht.«
    »Das war ein fauler Trick«, rief Fontanelli, »und ich verstehe nicht, wie ich darauf hereinfallen konnte. Ich lebe ja nicht erst seit heute hier oben.«
    »Gewohnheit macht blind«, meinte Stroganoff. »Das ist wie bei einem Blitz mit Mayonnaise, da denkt auch keiner an den Schornsteinfeger.«
    »Das stimmt!« rief Wirsing.
    Das allgemeine Gelächter half dem Automatendoktor aus der Verlegenheit. Er meckerte ein bißchen mit, setzte sich dann zurück und zupfte an seinem fuchsroten Kinnbärtchen.
    »Wenn ihr gestattet«, sagte er, »so beginne ich jetzt mit meiner Geschichte. Sie heißt
     
     
    Der Narr im Waisenhaus
     
    und ist, ob ihr es glaubt oder nicht, Wort für Wort die reine Wahrheit. Es war, wenn ich mich recht erinnere, an einem trüben Wintertag. Ein Mann, etwa Mitte der Vierzig, er war bis dahin als Lohnbuchhalter beschäftigt, hatte sich einen geringfügigen, jedoch ärgerlich bemerkbar machenden Gedächtnisdefekt zugezogen. Hin und wieder setzte sein Erinnerungsvermögen aus, und das auf ganz unberechenbare Art und Weise. Einmal konnte er sich nicht mehr an seinen Namen erinnern, dann wieder war ihm die Adresse seiner Wohnung entfallen. Ein anderes Mal wußte er dieses, aber nicht, ob und wie viele Kinder er hatte. Nachdem er sich einige Zeit damit herumgeplagt hatte, schickte ihn der Betriebsarzt zu einem Spezialisten in eine Klinik. Auf dem Wege dahin vergaß er zwar Straße und Hausnummer der Klinik, konnte sich aber noch genau an sein Leiden erinnern. Also fragte er einen Passanten nach einer Anstalt, in der Gedächtnisstörungen behoben werden, ließ sich die Adresse auf einen Zettel schreiben und kam nun ohne weiteren Verzug am Ort seiner Bestimmung an. Allerdings hatte er, als er vom Arzt darüber befragt wurde, jetzt die Art seines Leidens völlig vergessen. Der Arzt, sein Name war Doktor Nischel, war zufrieden, entnahm er daraus doch immerhin so viel, daß der Mann bei ihm vor der rechten Schmiede war. Ohne sich des weiteren mit Fragen aufzuhalten, schloß er den Kopf unseres Mannes an eine Vielzahl verschiedener Drähte an und wartete darauf, daß der Computer die Diagnose auswerfen würde. Der Apparat warf auch alsbald die übliche Karte aus, doch war sie zum Erstaunen Doktor Nischels so blank, wie er sie eingeworfen hatte. Der Test wurde noch einmal vorgenommen, doch das Ergebnis war das gleiche.
    ›Da stimmt was nicht.‹ Doktor Nischel schüttelte den Kopf. ›Entweder hattest du im Augenblick des Tests dein volles Gedächtnis, oder der Computer ist kaputt.‹
    ›Erstens‹, entgegnete der Mann, ›erinnere ich mich seit Stunden nicht an meinen Namen, und zweitens verbitte ich mir, mich zu duzen!‹ Der Arzt schüttelte seinen Kopf noch heftiger. ›Jetzt stimmt gleich zweierlei nicht. Erstens müßte der Computer, wenn du dich tatsächlich nicht an deinen Namen erinnern kannst, diesen Defekt angezeigt haben, und zweitens hat sich hier noch keiner darüber aufgehalten, daß ich ihn duze. Ich kann mir all das nur so erklären, daß der Apparat tatsächlich kaputt ist und du außer deinem Gedächtnisdefekt noch einen anderen hast, so

Weitere Kostenlose Bücher