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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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kriegerische Akt sollte also wie ein aufgezogenes Uhrwerk in stetiger Bewegung ablaufen. - Aber so wild die Natur des Krieges ist, so liegt sie doch an der Kette der menschlichen Schwächen, und der Widerspruch, der sich hier zeigt, daß der Mensch die Gefahr sucht und schafft, die er gleichwohl fürchtet, wird niemanden befremden.
    Richten wir den Blick auf die Kriegsgeschichte überhaupt, so finden wir so sehr das Gegenteil von einem unaufhaltsamen Fortschreiten zum Ziel, daß ganz offenbar Stillstehen und Nichtstun der Grundzustand der Heere mitten im Kriege ist und das Handeln die Ausnahme. Dies sollte uns an der Richtigkeit der gefaßten Vorstellung fast irremachen. Aber wenn die Kriegsgeschichte dies tut durch die Masse ihrer Begebenheiten, so führt die letzte Reihe derselben von selbst in unsere Ansicht zurück. Der Revolutionskrieg zeigt nur zu sehr ihre Realität und beweist nur zu sehr ihre Notwendigkeit. In ihm, und besonders in den Feldzügen Bonapartes, hat die Kriegführung den unbedingten Grad der Energie erreicht, den wir als das natürliche Gesetz des Elements betrachtet haben. Dieser Grad ist also möglich, und wenn er möglich ist, so ist er notwendig.
    In der Tat, wie wollte man auch vor den Augen der Vernunft den Aufwand von Kräften rechtfertigen, welchen man im Kriege macht, wenn [193] ein Handeln nicht der Zweck wäre? Der Bäcker heizt seinen Ofen nur, wenn er das Brot hineinschieben will; die Pferde spannt man nur an den Wagen, wenn man damit fahren will; warum denn die ungeheuren Anstrengungen eines Krieges machen, wenn man damit nichts hervorbringen will als ähnliche Anstrengungen beim Feinde?
    So viel zur Rechtfertigung des allgemeinen Prinzips, jetzt von seinen Modifikationen, soweit sie in der Natur der Sache liegen und nicht von individuellen Fällen abhängen.
    Es sind hier drei Ursachen zu bemerken, welche als innere Gegengewichte erscheinen und das allzu rasche oder unaufhaltsame Ablaufen des Uhrwerks verhindern.
    Die erste, welche einen beständigen Hang zum Aufenthalt hervorbringt und dadurch ein retardierendes Prinzip wird, ist die natürliche Furchtsamkeit und Unentschlossenheit des menschlichen Geistes, eine Art Schwere in der moralischen Welt, die aber nicht durch anziehende, sondern durch zurückstoßende Kräfte hervorgebracht wird, nämlich durch die Scheu vor Gefahr und Verantwortlichkeit.
    In dem Flammenelement des Krieges müssen die gewöhnlichen Naturen schwerer erscheinen, die Anstöße müssen also stärker und wiederholter sein, wenn die Bewegung eine dauernde werden soll. Selten reicht die bloße Vorstellung von dem Zweck der Bewaffnung hin, diese Schwere zu überwinden, und wenn nicht ein kriegerischer, unternehmender Geist an der Spitze steht, der sich im Kriege, wie der Fisch im Wasser, in seinem rechten Element befindet, oder wenn nicht eine große Verantwortlichkeit von oben drückt, so wird das Stillstehen zur Tagesordnung und das Vorschreiten zu den Ausnahmen gehören.
    Die zweite Ursache ist die Unvollkommenheit menschlicher Einsicht und Beurteilung, die im Kriege größer ist als irgendwo, weil man kaum die eigene Lage in jedem Augenblick genau kennt, die des Gegners aber, weil sie verschleiert ist, aus wenigem erraten muß. Dies bringt denn oft den Fall hervor, daß beide Teile auch da ein und denselben Gegenstand für ihren Vorteil ansehen, wo das Interesse des einen doch überwiegend ist. So kann denn jeder glauben, weise zu tun, wenn er einen andern Moment abwartet, wie wir das im fünften Kapitel des zweiten Buches schon gesagt haben.
    Die dritte Ursache, welche wie ein Sperrad in das Uhrwerk eingreift und von Zeit zu Zeit einen gänzlichen Stillstand hervorbringt, ist die größere Stärke der Verteidigung; A kann sich zu schwach fühlen, B anzugreifen, woraus aber nicht folgt, daß B stark genug zum Angriff gegen A sei. Der Zusatz von Kraft, welchen die Verteidigung gibt, geht durch den Angriff nicht bloß verloren, sondern wird dem Gegner gegeben, so wie, bildlich gesagt, die Different von a + b und a - b gleich 2b ist. Daher kann es kommen, daß beide Teile zum Angriff zugleich zu schwach nicht bloß sich fühlen, sondern wirklich sind.
    [194] So finden mitten in der Kriegskunst selbst besorgliche Klugheit und Furcht vor allzu großer Gefahr bequeme Standpunkte, um sich geltend zu machen und das elementarische Ungestüm des Krieges zu bändigen.
    Indessen würden diese Ursachen schwerlich ohne Zwang den langen Stillstand erklären können, den

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