Vom Kriege
Straßen und Wege, welche von dem Standpunkt eines Heeres nach den Quellen seines Lebens und seiner Kraft führen, gehören zu seinen eigentlichen Verbindungslinien. Sie können freilich allenfalls dazu benutzt und als ein Subsidium des Systems der Verbindungslinien betrachtet werden, aber dieses System beschränkt sich auf die dazu eingerichteten Straßen. Nur diejenigen Straßen, auf denen man seine Niederlagen, seine Hospitäler, seine Etappen, seine Briefposten eingerichtet, seine Kommandanten bestellt, seine Gendarmen und Besatzungen verteilt hat, können als die wahren Verbindungslinien angesehen werden. Aber hier tritt ein sehr wichtiger und oft übersehener Unterschied ein zwischen dem eigenen und dem feindlichen Heere. Das Heer im eigenen Lande wird zwar auch seine eingerichtete Verbindungslinie haben, aber es ist nicht durchaus darauf beschränkt und kann im Fall der Not davon abspringen und jede andere Straße wählen, die überhaupt noch vorhanden ist; denn es ist überall zu Hause, hat überall seine Behörden und findet überall den guten Willen. Wenn also andere Straßen weniger gut und passend für seine Verhältnisse sind, so ist doch ihre Wahl nicht unmöglich, und das Heer wird also, wenn es sich umgangen und zu einer Drehung genötigt sähe, diese nicht als unmöglich betrachten. Das Heer im feindlichen Lande hingegen kann in der Regel nur diejenigen Straßen als Verbindungslinien betrachten, auf denen es selbst vorgegangen ist, und es entsteht hier eine große Verschiedenheit in der Wirkung aus kleinen, wenigstens unscheinbaren Ursachen. Die im feindlichen Lande vorgehende Armee trifft die Einrichtungen, welche das Wesen der Verbindungslinie ausmachen, im Vorgehen mit dem Heere, unter seinem Schutz und kann, indem die drückende, Furcht und Schrecken einflößende Gegenwart des Heeres in den Augen der Einwohner diesen Maßregeln das Gepräge der unabänderlichen Notwendigkeit geben, diese sogar veranlassen, sie als eine Milderung des allgemeinen Kriegsübels anzusehen. Kleine Besatzungen, die man hin und wieder zurückläßt, unterstützen und halten das Ganze. Wollte man dagegen seine Kommissäre, Etappenkommandanten, Gendarmen, Feldposten und anderen Ordnungsapparat auf eine entlegene Straße senden, auf welcher das Heer nicht gekommen, so würden die Einwohner diese Anstalten wie eine Last ansehen, von der sie ganz füglich befreit bleiben könnten, und wenn nicht etwa die entschiedensten Niederlagen und Unglücksfälle das feindliche Land in ein panisches Schrecken versetzt haben, so werden diese Beamten feindlich behandelt, mit blutigen Köpfen abgewiesen werden. Es werden also vor allen Dingen Besatzungen erfordert, um die neue Straße zu unterwerfen, und zwar in diesem Falle beträchtlichere als in dem gewöhnlichen, wobei doch immer noch die Gefahr bleibt, daß die [329] Einwohner es versuchen möchten, sich diesen Besatzungen zu widersetzen. Mit einem Wort: die im feindlichen Lande vorgehende Armee entbehrt aller Werkzeuge des Gehorsams, sie muß sich ihre Behörden erst einsetzen, und zwar durch die Autorität der Waffen; dies kann sie nicht überall, nicht ohne Aufopferungen und Schwierigkeiten, nicht im Augenblick. - Es folgt hieraus, daß ein Heer im feindlichen Lande noch viel weniger von einer Basis auf die andere überspringen kann durch den Wechsel des Verbindungssystems wie im eigenen Lande, wo es allenfalls möglich ist; daß mithin hieraus im allgemeinen eine größere Beschränkung in ihren Bewegungen und eine größere Empfindlichkeit für das Umgehen entspringt.
Aber auch die Wahl und Einrichtung der Verbindungslinien von Hause aus ist an eine Menge von Bedingungen gebunden, die sie beschränken. Es müssen nicht nur überhaupt größere Straßen sein, sondern sie werden auch in vieler Rücksicht um so besser sein, je größer die Straßen sind, je mehr volkreiche und wohlhabende Städte dadurch berührt, durch je mehr feste Plätze sie geschützt werden. Auch Ströme, als Wasserstraßen und wieder Brücken als Übergangspunkte bestimmen dabei viel. Es ist also dadurch die Lage der Verbindungslinien und folglich auch der Weg, welchen ein Heer beim Angriff nimmt, nur bis auf einen gewissen Punkt freier Wahl unterworfen, die genauere Lage aber an die geographischen Verhältnisse gebunden.
Alle die obengenannten Dinge zusammengenommen machen die Verbindung eines Heeres mit seiner Basis stark oder schwach, und dieses Resultat, verglichen mit demselben Gegenstand bei der
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