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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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Verteidigung gesagt ist, nicht unmittelbar dasjenige folgt, was vom Angriff gesagt werden kann. Eine Veränderung des Standpunktes bringt uns dem Gegenstande näher, und es ist also natürlich, dasjenige, was man aus dem entfernten Standpunkte überblickt hat, aus diesem nähern in Betrachtung zu ziehen. Es wird also eine Ergänzung des Gedankensystems sein, wobei nicht selten das, was vom Angriff gesagt wird, noch ein neues Licht auf die Verteidigung wirft. So werden wir in dem Angriff meistens dieselben Gegenstände vor uns haben, die in der Verteidigung dagewesen sind. Aber es ist nicht in unserer Ansicht, und nicht in der Natur der Sache, nach Art der meisten Ingenieurlehrbücher beim Angriffe alle positiven Werte, welche wir in der Verteidigung gefunden haben, zu umgehen oder zu vernichten, und zu beweisen, daß es gegen jedes Mittel der Verteidigung irgendein unfehlbares Mittel des Angriffs gebe. Die Verteidigung hat ihre Stärken und Schwächen; sind die erstern auch nicht unüberwindlich, so kosten sie doch einen unverhältnismäßigen Preis, und das muß von jedem Standpunkte aus wahr bleiben oder man widerspricht sich. Ferner ist es nicht unsere Absicht, das Widerspiel der Mittel erschöpfend durchzugehen; jedes Mittel der Verteidigung führt zu einem Mittel des Angriffs, aber oft liegt dieses so nahe, [524] daß man nicht nötig hat, erst von dem Standpunkte der Verteidigung zu dem des Angriffs überzugehen, um es gewahr zu werden; das eine ergibt sich aus dem andern von selbst. Unsere Absicht ist, bei einem jeden Gegenstande die eigentümlichen Verhältnisse des Angriffs, insoweit sie nicht unmittelbar aus der Verteidigung hervorgehen, anzugeben, und diese Art der Behandlung muß uns dann notwendig auch zu manchen Kapiteln führen, die in der Verteidigung keine korrespondierende haben.
Zweites Kapitel: Natur des strategischen Angriffs
    Wir haben gesehen, daß die Verteidigung im Kriege überhaupt, also auch die strategische, kein absolutes Abwarten und Abwehren, also kein vollkommenes Leiden ist, sondern ein relatives, folglich mit mehr oder weniger offensiven Prinzipen durchdrungen. Ebenso ist der Angriff kein homogenes Ganze, sondern mit der Verteidigung unaufhörlich vermengt. Der Unterschied aber ist, daß die Verteidigung ohne Rückstoß gar nicht gedacht werden kann, daß dieser ein notwendiger Bestandteil derselben ist. So ist es aber nicht beim Angriff; der Stoß oder der Akt des Angriffs ist an sich ein vollständiger Begriff, die Verteidigung ist ihm an sich nicht nötig, aber Zeit und Raum, an welche er gebunden ist, führen ihm die Verteidigung als ein notwendiges Übel zu. Denn erstlich kann er nicht in einer stetigen Folge bis zur Vollendung fortgeführt werden, sondern erfordert Ruhepunkte, und in dieser Zeit der Ruhe, wo er selbst neutralisiert ist, tritt der Zustand der Verteidigung von selbst ein. Zweitens ist der Raum, welchen die vorschreitende Streitkraft hinter sich läßt und den sie zu ihrem Bestehen notwendig braucht, nicht immer durch den Angriff an sich gedeckt, sondern muß besonders geschützt werden.
    Es ist also der Akt des Angriffs im Kriege, vorzugsweise aber in der Strategie, ein beständiges Wechseln und Verbinden von Angriff und Verteidigung, wobei aber letztere nicht als eine wirksame Vorbereitung zum Angriff, als eine Steigerung desselben anzusehen ist, also nicht als ein tätiges Prinzip, sondern als ein bloßes notwendiges Übel, als das retardierende Gewicht, welches die bloße Schwere der Masse hervorbringt; sie ist seine Erbsünde, sein Todesprinzip. Wir sagen ein retardierendes Gewicht, weil, wenn die Verteidigung nichts für den Angriff tut, sie schon durch den bloßen Zeitverlust, welchen sie repräsentiert, seine Wirkung vermindern muß. Aber kann dieser Bestandteil von Verteidigung, der in jedem [525] Angriff enthalten ist, nicht auch positiv nachteilig auf denselben einwirken? Wenn man sich sagt, daß der Angriff die schwächere, die Verteidigung die stärkere Form des Krieges ist, so scheint daraus zu folgen, daß diese nicht positiv nachteilig auf jene einwirken könne, denn solange man für die schwächere Form noch Kräfte genug hat, müssen diese um so mehr für die stärkere ausreichen. Dies ist im allgemeinen, d. h. in der Hauptsache, wahr, und wie es sich noch näher bestimmt, werden wir im Kapitel von dem Kulminationspunkt des Sieges genauer auseinandersetzen; aber wir müssen nicht vergessen, daß jene Überlegenheit der strategischen Verteidigung

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