Vom Kriege
Landes; es ist also dies sein Gegenstand, braucht aber nicht das ganze Land zu sein, sondern kann sich auf einen Teil, eine Provinz, einen Landstrich, eine Festung usw. beschränken. Alle diese Dinge können einen genügenden Wert haben als politische Gewichte beim Frieden, entweder zum Behalten oder zum Austausch.
[527] Der Gegenstand des strategischen Angriffs kann also von der Eroberung des ganzen Landes in zahllosen Abstufungen herab gedacht werden bis zum unbedeutendsten Platz. Sobald dieser Gegenstand erreicht ist und der Angriff aufhört, tritt die Verteidigung ein. - Man könnte sich also einen strategischen Angriff als eine bestimmte begrenzte Einheit denken. So ist es aber, wenn wir die Sache praktisch nehmen, d. h. nach den wirklichen Erscheinungen nicht. Hier laufen die Angriffsmomente, d. h. die Absichten und Maßregeln, oft ebenso unbestimmt in die Verteidigung aus, wie die Pläne der Verteidigung in den Angriff. Selten oder wenigstens nicht immer schreibt sich der Feldherr genau vor, was er erobern will, sondern er läßt es von den Ereignissen abhängen. Sein Angriff führt ihn oft weiter als er gedacht hat, er bekommt oft nach mehr oder weniger kurzer Rast neue Gewalt, ohne daß man veranlaßt wäre, zwei ganz verschiedene Akte daraus zu machen; ein andermal kommt er früher zum Stehen, als er gedacht, ohne jedoch seinen Plan aufzugeben und in eine wahre Verteidigung überzugehen. Man sieht also, daß, wenn die erfolgreiche Verteidigung unmerklich in den Angriff übergehen kann, dies umgekehrt auch bei dem Angriff der Fall ist. Diese Abstufungen muß man im Auge haben, wenn man von dem, was wir von dem Angriff allgemein sagen, nicht eine falsche Anwendung machen will.
Viertes Kapitel: Abnehmende Kraft des Angriffs
Dies ist ein Hauptgegenstand der Strategie; von seiner richtigen Würdigung im einzelnen Fall hängt das richtige Urteil über das ab, was man tun kann.
Die Schwächung der absoluten Macht entsteht:
1. Durch den Zweck des Angriffs, das feindliche Land selbst zu besetzen; dies tritt meistens erst nach der ersten Entscheidung ein, aber mit der ersten Entscheidung hört so der Angriff nicht auf.
2. Durch das Bedürfnis der angreifenden Armeen, das Land hinter sich zu besetzen, um sich die Verbindungslinien zu sichern und leben zu können.
3. Durch Verluste in Gefechten und durch Krankheiten.
4. Entfernung von den Ergänzungsquellen.
5. Belagerungen, Einschließungen von Festungen.
6. Nachlassen in den Anstrengungen.
7. Abtreten von Verbündeten.
Aber diesen Schwächungsgründen gegenüber befinden sich auch einige, die den Angriff verstärken können. Es ist jedoch klar, daß er ist die Ausgleichung dieser verschiedenen Größen das allgemeine Resultat bestimmt; so kann z. B. die Schwächung des Angriffs durch die Schwächung der Verteidigung zum Teil oder ganz aufgewogen oder überwogen werden. Dies letztere ist selten der Fall; man muß nur nicht immer alle im Felde stehende Streitkräfte miteinander vergleichen, sondern die an der Spitze oder die auf den entscheidenden Punkten sich gegenüberstehenden. - Beispiele verschiedener Art: die Franzosen in Österreich und Preußen, in Rußland; die Verbündeten in Frankreich, die Franzosen in Spanien.
Fünftes Kapitel: Kulminationspunkt des Angriffs
Der Erfolg im Angriff ist das Resultat einer vorhandenen Überlegenheit, wohlverstanden physische und moralische Kräfte zusammengenommen. Wir haben im vorigen Kapitel gezeigt, daß sich die Kraft des Angriffs nach und nach erschöpft; möglicherweise kann die Überlegenheit dabei wachsen, aber in der großen Mehrheit der Fälle wird sie abnehmen. Der Angreifende kauft Friedensvorteile ein, die ihm bei den Unterhandlungen etwas gelten sollen, die er aber auf der Stelle bar mit seinen Streitkräften bezahlen muß. Führt dieses im Vorteil des Angriffs sich täglich vermindernde Übergewicht bis zum Frieden, so ist der Zweck erreicht. - Es gibt strategische Angriffe, die unmittelbar zum Frieden geführt haben - aber die wenigsten sind von der Art, und die meisten führen nur bis zu einem Punkt, wo die Kräfte noch eben hinreichen, sich in der Verteidigung zu halten und den Frieden abzuwarten. - Jenseits dieses Punktes liegt der Umschwung, der Rückschlag; die Gewalt eines solchen Rückschlages ist gewöhnlich viel größer als die Kraft des Stoßes war. Dies nennen wir den Kulminationspunkt des Angriffs. - Da der Zweck des Angriffs der Besitz des feindlichen Landes ist, so folgt: daß das
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