Vom Kriege
durchschneidet.
Drittens. Die einzelnen Kolonnen müssen, wo sie mit feindlichen Kräften zusammentreffen, diese mit großer Entschlossenheit, mit Wagnis und Kühnheit anfallen, denn sie haben die allgemeinen Verhältnisse für sich, und da ist das Wagen immer am rechten Ort. Die Folge ist, daß die Befehlshaber der einzelnen Kolonnen in dieser Beziehung große Freiheit und Vollmacht haben müssen.
Viertens. Die taktischen Angriffspläne gegen die sich zuerst stellenden feindlichen Korps müssen immer auf das Umgehen gerichtet sein, denn vom Trennen und Abschneiden wird ja der Haupterfolg erwartet.
Fünftens. Die einzelnen Kolonnen müssen aus allen Waffen bestehen und dürfen nicht zu schwach an Reiterei sein, es kann sogar gut sein, wenn die ganze Reservekavallerie unter sie verteilt wird; denn es wäre ein großer Irrtum, wenn man glaubte, diese könnte als solche bei diesem Unternehmen eine Hauptrolle spielen. Das erste beste Dorf, die kleinste Brücke, der unbedeutendste Busch hält sie auf.
Sechstens. Ob es gleich in der Natur eines Überfalls ist, daß der Angreifende seine Avantgarde nicht weit voraus haben darf, so gilt doch das nur von der Annäherung. Ist das Gefecht in der feindlichen Quartierlinie schon wirklich angefangen, also das, was vom eigentlichen Überfall zu erwarten war, bereits gewonnen, so müssen die Kolonnen Avantgarden von allen Waffen so weit als möglich vorschieben, denn diese können durch ihre schnelleren Bewegungen die Verwirrung beim Feinde sehr vermehren. Nur dadurch wird man imstande sein, hier und da den Troß von Bagage, Artillerie, Kommandierten und Traineurs wegzunehmen, welcher einem eiligst aufbrechenden Kantonnement nachzuziehen pflegt, und diese Avantgarden müssen das Hauptmittel des Umgehens und Abschneidens werden.
Siebentens. Endlich muß für eintretende Unglücksfälle der Rückzug und die Versammlung des Heeres angegeben werden.
Zwanzigstes Kapitel: Diversion
Unter Diversion versteht der Sprachgebrauch einen solchen Angriff des feindlichen Landes, wodurch Kräfte von dem Hauptpunkt abgezogen werden. Nur wenn dies die Hauptabsicht ist und nicht der Gegenstand, welchen man [561] bei der Gelegenheit angreift und erobert, ist es eine Unternehmung eigentümlicher Art, sonst bleibt es ein gewöhnlicher Angriff.
Natürlich muß die Diversion darum doch immer ein Angriffsobjekt haben, denn nur der Wert dieses Objektes kann den Feind veranlassen, Truppen dahin zu schicken; außerdem sind diese Objekte, im Fall die Unternehmung als Diversion nicht wirkt, eine Entschädigung für die darauf verwandten Kräfte.
Diese Angriffsobjekte können nun Festungen sein oder bedeutende Magazine oder reiche und große Städte, besonders Hauptstädte, Kontributionen aller Art, endlich Beistand unzufriedener Untertanen des Feindes.
Daß Diversionen nützlich sein können, ist leicht zu begreifen, aber gewiß sind sie es nicht immer, sondern oft sogar schädlich. Die Hauptbedingung ist, daß sie mehr Streitkräfte des Feindes vom Hauptkriegstheater abziehen, als wir auf die Diversion verwenden, denn wenn sie nur ebensoviel abziehen, so hört die Wirksamkeit als eigentliche Diversion auf und das Unternehmen wird ein untergeordneter Angriff. Selbst da, wo man einen Nebenangriff anordnet, weil man der Umstände wegen die Aussicht hat, mit wenig Kräften unverhältnismäßig viel auszurichten, z. B. eine wichtige Festung leicht zu nehmen, muß man es nicht mehr Diversion nennen. Man pflegt es freilich auch Diversion zu nennen, wenn ein Staat, während er sich gegen einen andern wehrt, durch einen dritten angefallen wird, - aber ein solcher Anfall unterscheidet sich von einem gewöhnlichen Angriff in nichts als der Richtung, es ist also kein Grund, ihm einen besonderen Namen zu geben, denn in der Theorie soll man durch eigene Benennungen auch nur Eigentümliches bezeichnen.
Wenn aber schwache Kräfte stärkere herbeiziehen sollen, so müssen offenbar eigentümliche Verhältnisse die Veranlassung dazu geben, und es ist also für den Zweck einer Diversion nicht genug, irgendeine Streitkraft auf einen bisher unbetretenen Punkt abzuschicken.
Wenn der Angreifende irgendeine feindliche Provinz, die nicht zum Hauptkriegstheater gehört, durch einen kleinen Haufen von 1000 Mann heimsuchen läßt, um Kontributionen einzutreiben usw., so ist freilich vorherzusehen, daß der Feind dies nicht durch 1000 Mann verhindern kann, die er dahin absendet, sondern er wird, wenn er die Provinz gegen
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