Vom Kriege
Verhältnissen und bei der allgemeinen Tendenz, einen rückwärts gelegenen Punkt zu gewinnen, von seinem Siege keinen sonderlichen Gebrauch machen kann. Sie können aber auch geschlagen werden, und das ist an sich wahrscheinlicher, weil sie nicht die Zeit haben, sich zu einem guten Widerstand einzurichten. Es läßt sich also wohl denken, daß bei einem gut angelegten und ausgeführten Überfall der Angreifende, durch diese partiellen Gefechte, zu bedeutenden Trophäen kommen werde, die dann eine Hauptsache in dem allgemeinen Erfolg sein werden.
Endlich ist der vierte Vorteil und der Schlußstein des Ganzen eine gewisse momentane Desorganisation des feindlichen Heeres und eine Entmutigung desselben, die es selten erlauben, von den endlich versammelten Kräften Gebrauch zu machen, sondern gewöhnlich den Überfallenen nötigen, noch mehr Land zu räumen und überhaupt einen ganz andern Abschnitt in seinen Operationen zu machen.
Dies sind die eigentümlichen Erfolge eines gelungenen Überfalles der feindlichen Quartiere, d. h. eines solchen, wo der Gegner nicht imstande gewesen ist, sein Heer ohne Verlust da zu versammeln, wo es in seinem Plane lag. Aber das Gelingen wird der Natur der Sache nach sehr viel Abstufungen haben, und so werden die Erfolge in einem Fall sehr bedeutend, in dem andern kaum nennenswert sein. Aber selbst da, wo sie bedeutend sind, weil das Unternehmen sehr gut gelungen ist, werden sie doch selten den Erfolg einer gewonnenen Hauptschlacht geben, teils weil die Trophäen selten so groß sein werden, teils weil der moralische Eindruck nicht so hoch angeschlagen werden kann.
Dieses Gesamtresultat muß man im Auge haben, um sich nicht von einem solchen Unternehmen mehr zu versprechen, als es leisten kann. Manche halten es für das Non plus ultra offensiver Wirksamkeit; das ist es aber, wie uns diese nähere Betrachtung und auch die Kriegsgeschichte lehrt, keineswegs.
Einer der glänzendsten Überfälle ist der, welchen der Herzog von Lothringen 1643 bei Duttlingen gegen die französischen Quartiere unter dem General Rantzau unternahm. Das Korps war 16000 Mann stark, verlor den kommandierenden General und 7000 Mann. Es war eine vollkommene Niederlage. Der Mangel an allen Vorposten ließ diesen Erfolg zu.
Der Überfall, welchen Turenne im Jahr 1645 bei Mergentheim (Mariendal, wie die Franzosen es nennen) erlitt, war in seinen Wirkungen allerdings gleichfalls einer Niederlage gleich zu achten, denn er verlor von 8000 Mann 3000, welches hauptsächlich davon herrührte, daß er sich verleiten ließ, mit [558] den versammelten Truppen einen unzeitigen Widerstand zu tun. Auf ähnliche Wirkungen kann man daher nicht oft rechnen; es war mehr der Erfolg eines schlecht überlegten Treffens als des eigentlichen Überfalls, denn Turenne hätte füglich dem Gefecht ausweichen und sich mit seinen in entlegenere Quartiere geschickten Truppen anderswo vereinigen können.
Ein dritter berühmt gewordener Überfall ist der, welchen Turenne gegen die unter dem Großen Kurfürsten, dem kaiserlichen General Bournonville und dem Herzoge von Lothringen im Elsaß stehenden Verbündeten im Jahr 1674 unternahm. Die Trophäen waren sehr gering, der Verlust der Verbündeten nicht über 2000 bis 3000 Mann, welches bei einer Macht von 50000 Mann nicht entscheidend sein konnte; aber sie glaubten doch, im Elsaß keinen weiteren Widerstand wagen zu können und zogen sich über den Rhein zurück. Dieser strategische Erfolg war alles, was Turenne brauchte, aber man muß die Ursachen nicht in dem eigentlichen Überfall suchen. Turenne überraschte mehr die Pläne des Gegners als die Truppen desselben, die Uneinigkeit der verbündeten Heerführer und der nahe Rhein taten das übrige. Diese Begebenheit verdient überhaupt, genauer angesehen zu werden, weil sie gewöhnlich falsch aufgefaßt wird.
1741 überfällt Neiperg den König in seinen Quartieren, der ganze Erfolg besteht aber nur darin, daß der König ihm mit nicht ganz vereinigten Kräften und in verkehrter Front die Schlacht von Mollwitz liefern muß.
1745 überfällt Friedrich der Große den Herzog von Lothringen in der Lausitz in seinen Quartieren; der Haupterfolg entsteht durch den wirklichen Überfall eines der bedeutendsten Quartiere, nämlich von Hennersdorf, wodurch die Österreicher einen Verlust von 2000 Mann erleiden; der allgemeine Erfolg ist, daß der Herzog von Lothringen durch die Oberlausitz nach Böhmen zurückkehrt, aber freilich nicht verhindert wird,
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