Vom Kriege
abzusenden. Derselbe Feldzug zeigt in dem aufgehobenen Transport von Domstädtle den vollkommensten Erfolg eines solchen Unternehmens. Die Straße nach Neiße lag in der linken Seite der preußischen Aufstellung, und des Königs Kräfte waren durch die Belagerung und das gegen Daun aufgestellte Korps so neutralisiert, daß die Parteigänger für sich selbst gar nichts zu besorgen hatten und sich mit vollkommener Muße an ihren Angriff begeben konnten.
Eugen 1712 zog, als er Landreci belagerte, seine Belagerungsbedürfnisse von Bouchain über Denain heran, also eigentlich vor der Front der strategischen Aufstellung. Welche Mittel er anwendete, um die unter diesen Umständen so schwierige Deckung zu bewirken, und in welche Schwierigkeiten er sich verwickelte, die mit einem förmlichen Umschwung der Angelegenheiten endigten, ist bekannt.
Wir ziehen also das Resultat: daß der Angriff von Transporten, wie leicht er auch, taktisch betrachtet, sich ausnehmen möge, doch aus strategischen Gründen nicht soviel für sich hat, sondern nur in den ungewöhnlichen Fällen sehr preisgegebener Verbindungslinien bedeutende Erfolge verspricht.
Neunzehntes Kapitel: Angriff einer feindlichen Armee in Quartieren
Wir haben in der Verteidigung diesen Gegenstand nicht gehabt, weil eine Quartierlinie nicht als ein Verteidigungsmittel betrachtet werden kann, sondern als ein bloßer Zustand des Heeres, und zwar als einer, der eine sehr geringe Schlachtfertigkeit mit sich führt. Wir haben uns also in Beziehung auf diese Schlachtfertigkeit mit dem begnügt, was wir im dreizehnten Kapitel des fünften Buchs über diesen Zustand eines Heeres zu sagen hatten.
Hier beim Angriff aber haben wir eines feindlichen Heeres in Quartieren allerdings als eines besonderen Gegenstandes zu gedenken; denn teils ist ein solcher Angriff sehr eigentümlicher Art, teils kann er als ein strategisches Mittel von besonderer Wirksamkeit betrachtet werden. Es ist also hier nicht die Rede von dem Anfall eines einzelnen feindlichen Quartiers oder eines kleinen, in wenig Dörfer verteilten Korps, denn die Anordnungen dazu sind ganz taktischer Natur, sondern von dem Angriff einer bedeutenden, in mehr oder weniger ausgedehnte Quartiere verteilten Streitkraft, so daß nicht mehr der Überfall des einzelnen Quartiers selbst, sondern das Verhindern der Versammlung das Ziel ist.
Der Angriff einer feindlichen Armee in Quartieren ist also der Überfall einer nicht versammelten Armee. Soll der Überfall als gelungen betrachtet werden, so muß die feindliche Armee den vorher bestimmten Versammlungspunkt nicht mehr erreichen, also genötigt sein, einen andern, weiter rückwärts gelegenen zu wählen; da dies Zurückverlegen im Augenblick der Not selten unter einem Tagemarsch, gewöhnlich aber mehrere betragen wird, so ist der Terrainverlust, welcher dadurch entsteht, nicht unbedeutend, und dies ist der erste Vorteil, welcher dem Angreifenden zuteil wird.
Nun kann aber dieser auf die allgemeinen Verhältnisse sich beziehende Überfall allerdings im Anfang zugleich Überfall einiger einzelner Quartiere sein; nur freilich nicht aller und nicht sehr vieler, weil schon das letztere ein solches Ausbreiten und Zerstreuen der Angriffsarmee voraussetzen würde, wie in keinem Fall ratsam wäre. Es können also nur die vordersten feindlichen Quartiere, welche in der Richtung der vorrückenden Kolonnen liegen, überfallen werden, und auch dies wird wohl selten bei vielen und im vollkommenen Maße gelingen, weil das Annähern einer bedeutenden Macht nicht so unbemerkt geschehen kann. Doch ist dieses Element des Angriffs keineswegs zu übersehen, und wir rechnen die Erfolge, welche daraus hervorgehen, als den zweiten Vorteil eines solchen Überfalls.
Ein dritter Vorteil sind die partiellen Gefechte, wozu der Feind veranlaßt wird, und in denen er große Verluste erleiden kann. Eine beträchtliche Truppenmasse versammelt sich nämlich nicht in einzelnen Bataillonen auf dem [557] Hauptversammlungspunkt, sondern sie vereinigt sich gewöhnlich erst in Brigaden oder Divisionen oder doch in Korps, und diese Massen können dann nicht in eiligster Flucht nach dem Rendezvous eilen, sondern sie sind genötigt, wenn eine feindliche Kolonne an sie gerät, das Gefecht anzunehmen; nun können sie zwar darin als Sieger gedacht werden, wenn nämlich die angreifende Kolonne nicht stark genug war, aber selbst im Siegen verlieren sie Zeit, und überhaupt ist leicht begreiflich, daß ein Korps unter solchen
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