Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
Vom Netzwerk:
Verbindungslinien hinzieht; weil die feindliche Armee sie aber gleichfalls hat, so ist die Schwäche dieser Teile nicht fühlbar. Dies ist aber nur der Fall im eigenen Lande; sowie man sich im feindlichen befindet, wird die Schwäche dieser Teile fühlbar, weil bei einer sehr langen, wenig oder gar nicht gedeckten Linie die unbedeutendste Unternehmung einigen Erfolg verspricht und diese überall aus einer feindlichen Gegend hervorgehen kann.
    Je weiter man vordringt, um so länger werden diese Flanken, und die daraus entstehende Gefahr wächst in steigender Progression; denn nicht bloß sind sie schwer zu decken, sondern der Unternehmungsgeist der Feindes wird auch hauptsächlich erst durch die langen ungesicherten Verbindungslinien hervorgerufen, und die Folgen, welche ihr Verlust im Fall eines Rückzuges haben kann, sind höchst bedenklich.
    Alles dieses trägt dazu bei, der vorschreitenden Armee mit jedem Schritt, den sie weiter tut, ein neues Gewicht anzuhängen, so daß, wenn sie nicht mit einer ungewöhnlichen Überlegenheit angefangen hat, sie sich nach und nach immer mehr beengt in ihren Plänen, immer mehr geschwächt in ihrer Stoßkraft und zuletzt ungewiß und besorglich in ihrer Lage fühlt.
    3. Die dritte Ursache, die Entfernung von der Quelle, aus welcher die unaufhörlich sich schwächende Streitkraft auch unaufhörlich ergänzt werden muß, steigt mit der Entfernung. Eine erobernde Armee gleicht hierin dem Licht einer Lampe; je weiter sich das nährende Öl hinuntersenkt und vom Fokus entfernt, um so kleiner wird dieser, bis er nachher ganz erlischt.
    Freilich kann der Reichtum eroberter Provinzen dieses Übel sehr vermindern, doch niemals ganz aufheben, weil es immer eine Menge Gegenstände gibt, die man von Hause kommen lassen muß, namentlich Menschen, weil die Leistungen des feindlichen Landes in der Allgemeinheit der Fälle nicht so schnell und sicher sind, als die im eigenen Lande, weil für ein unvermutet entstehendes Bedürfnis nicht so schnell Hilfe geschafft werden kann, weil Mißverständnisse und Fehler aller Art nicht so früh entdeckt und verbessert werden können.
    Führt der Fürst sein Heer nicht selbst an, wie das in den letzten Kriegen Sitte geworden, ist er demselben nicht mehr nahe, so entsteht noch ein neuer, sehr großer Nachteil aus dem Zeitverlust, den das Hin- und Herfragen mit sich bringt, denn die größte Vollmacht eines Heerführers kann den weiten Raum seines Wirkungskreises nicht ausfüllen.
    4. Die Veränderung der politischen Verbindungen. Sind diese Veränderungen, welche der Sieg hervorruft, von der Art, daß sie dem Sieger nachteilig sein werden, so werden sie wahrscheinlich mit seinen Fortschritten [568] im geraden Verhältnis stehen, ebenso wie das der Fall ist, wenn sie ihm günstig sind. Hier kommt alles auf die bestehenden politischen Verbindungen, Interessen, Gewohnheiten, Richtungen, auf Fürsten, Minister, Günstlinge und Maitressen usw. an. Allgemein kann man nur sagen, daß, wenn ein großer Staat besiegt wird, der kleinere Bundesgenossen hat, diese bald das Reißaus zu nehmen pflegen, und daß dann der Sieger in dieser Beziehung mit jedem Schlage stärker wird; ist aber der besiegte Staat kleiner, so werden sich viel eher Beschützer aufwerfen, wenn er in seinem Dasein bedroht wird, und andere, die geholfen haben, ihn zu erschüttern, werden umkehren, wenn sie glauben, daß es zu viel wird.
    5. Der größere Widerstand, welcher beim Feinde hervorgerufen wird. Einmal fallen dem Feinde die Waffen aus den Händen vor Schreck und Betäubung, ein andermal ergreift ihn enthusiastischer Paroxismus, alles eilt zu den Waffen und der Widerstand ist nach der ersten Niederlage viel größer als vor derselben. Der Charakter des Volkes und der Regierung, die Natur des Landes, die politischen Verbindungen desselben sind die Data, aus denen das Wahrscheinliche erraten werden muß.
    Wie unendlich verschieden machen diese beiden letzten Punkte allein die Pläne, welche man im Kriege in dem einen und dem andern Fall machen darf und machen soll. Während der eine durch Ängstlichkeit und sogenanntes methodisches Verfahren sein bestes Glück verscherzt, plumpst der andere bis über die Ohren hinein und sieht dann hinterher aus wie einer, den man eben aus dem Wasser gezogen hat, ganz bestürzt und verwundert.
    Noch müssen wir hier der Erschlaffung gedenken, welche bei dem Sieger nicht selten dann zu Hause eintritt, wenn die Gefahr entfernt ist, während doch umgekehrt neue

Weitere Kostenlose Bücher