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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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weniger beschwerlich wird als das Innehalten, so wie Pferden, welche eine Last den Berg hinaufziehen. Hiermit glauben wir nun ohne inneren Widerspruch gezeigt zu haben, wie der Angreifende über denjenigen Punkt hinauskommen kann, der ihm im Augenblick des Innehaltens und der Verteidigung noch Erfolge, d. h. Gleichgewicht verspricht. Es ist also wichtig, beim Entwurf des Feldzugs diesen Punkt richtig festzuhalten, sowohl für den Angreifenden, damit er nicht über sein Vermögen unternehme, gewissermaßen Schulden mache, als für den Verteidiger, damit er diesen Nachteil, in welchen sich der Angreifende begeben hat, erkenne und benütze.
    [572] Werfen wir nun einen Blick zurück auf alle die Gegenstände, welche der Feldherr bei dieser Feststellung im Auge haben soll, und erinnern uns, daß er von den wichtigsten die Richtung und den Wert erst durch den Überblick vieler anderen nahen und entfernten Verhältnisse schätzen, gewissermaßen erraten muß - erraten, ob das feindliche Heer nach dem ersten Stoß einen festeren Kern, eine immer zunehmende Dichtigkeit zeigen oder ob es wie die Bologneser Flaschen in Staub zerfallen wird, sobald man seine Oberfläche verletzt; - erraten, wie groß die Schwächung und Lähmung sein werde, die das Versiegen einzelner Quellen, das Unterbrechen einzelner Verbindungen im feindlichen Kriegsstaat hervorbringt; - erraten, ob der Gegner von dem brennenden Schmerz der Wunde, die er ihm geschlagen, ohnmächtig zusammensinkt oder wie ein verwundeter Stier zur Wut gesteigert wird; - erraten, ob die andern Mächte erschreckt oder entrüstet seien, ob und welche politische Verbindungen sich lösen oder bilden werden, - sagen wir uns, daß er dies alles und vieles andere mit dem Takt seines Urteiles treffen soll wie der Schütze sein Ziel, so müssen wir eingestehen, daß ein solcher Akt des menschlichen Geistes nichts Geringes sei. Tausend Abwege bieten sich dem Urteil, die sich hier- und dorthin verlaufen; und was die Menge, Verwicklung und Vielseitigkeit der Gegenstände nicht tun, das tut die Gefahr und Verantwortlichkeit.
    Und so geschieht es denn, daß die große Mehrheit der Feldherren lieber weit hinter dem Ziel zurückbleibt, als sich ihm zu sehr zu nahen, und daß ein schöner Mut und hoher Unternehmungsgeist oft darüber hinausgerät und also seinen Zweck verfehlt. Nur wer mit geringen Mitteln Großes tut, hat es glücklich getroffen.

Skizzen zum achten Buch: Kriegsplan
    [574]
Erstes Kapitel: Einleitung
    In dem Kapitel vom Wesen und Zweck des Krieges haben wir seinen Gesamtbegriff gewissermaßen skizziert und seine Verhältnisse zu den ihn umgebenden Dingen angedeutet, um mit einer richtigen Grundvorstellung anzufangen. Wir haben die mannigfaltigen Schwierigkeiten, auf welche der Verstand dabei stößt, durchblicken lassen, uns eine genauere Betrachtung derselben vorbehaltend, und sind bei dem Resultat stehen geblieben, daß die Niederwerfung des Feindes, folglich die Vernichtung seiner Streitkräfte das Hauptziel des ganzen kriegerischen Aktes sei. Dies hat uns in den Stand gesetzt, im folgenden Kapitel zu zeigen, daß das Mittel, dessen sich der kriegerische Akt bedient, allein das Gefecht sei. Auf diese Weise glauben wir vorläufig einen richtigen Standpunkt gewonnen zu haben.
    Nachdem wir nun die beachtungswertesten Verhältnisse und Formen, welche in dem kriegerischen Handeln außerhalb des Gefechts vorkommen, einzeln durchgegangen sind, um ihren Wert teils nach der Natur der Sache, teils nach der Erfahrung, welche die Kriegsgeschichte darbietet, bestimmter anzugeben, sie von unbestimmten, unzweideutigen Vorstellungen, die damit verbunden zu sein pflegen, zu reinigen und auch bei ihnen das eigentliche Ziel des kriegerischen Aktes, die Vernichtung des Feindes, überall gehörig als die Hauptsache herantreten zu lassen, kehren wir nun zu dem Ganzen des Krieges zurück, indem wir uns vornehmen, von dem Kriegs- und Feldzugsplan zu reden, und sind also genötigt, an die Vorstellungen unseres ersten Buches wieder anzuknüpfen.
    In diesen Kapiteln, welche die Gesamtfrage abhandeln sollen, ist die eigentlichste Strategie, das Umfassendste und Wichtigste derselben enthalten. Wir betreten dieses Innerste ihres Gebietes, in welchem alle übrigen Fäden zusammenlaufen, nicht ohne Scheu.
    In der Tat ist diese Scheu nicht mehr als billig.
    Wenn man auf der einen Seite sieht, wie das kriegerische Handeln so höchst einfach erscheint, wenn man hört und liest, wie die größten Feldherren

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