Vom Kriege
mit der Halbheit seiner Absichten am besten verträgt.
[603] Aber selbst dann, wenn zwei Staaten wirklich Kriegführende gegen einen dritten sind, heißt es nicht immer: wir müssen diesen dritten als unsern Feind ansehen, den wir vernichten müssen, damit er uns nicht vernichte, sondern die Sache wird oft wie ein Handelsgeschäft abgemacht; ein jeder legt nach Verhältnis der Gefahr, die er zu bestehen und der Vorteile, die er zu erwarten hat, eine Aktie von 30000 bis 40000 Mann ein und tut, als könne er nichts als diese dabei verlieren.
Dieser Gesichtspunkt findet nicht bloß dann statt, wenn ein Staat dem andern in einer Angelegenheit beispringt, die ihm ziemlich fremd ist, sondern selbst dann, wenn beide ein gemeinsames großes Interesse haben, kann es ohne diplomatischen Rückhalt nicht abgehen, und die Unterhandelnden pflegen sich nur zu einem geringen traktatenmäßigen Beistand zu verstehen, um das übrige ihrer kriegerischen Kräfte nach den besonderen Rücksichten zu gebrauchen, zu welchen die Politik etwa führen könnte.
Diese Art, den Bündniskrieg zu betrachten, war ganz allgemein, und hat nur in der neuesten Zeit, wo die äußerste Gefahr die Gemüter in die natürlichen Wege hineintrieb, wie gegen Bonaparte, und wo schrankenlose Gewalt sie hineinzwang, wie mit Bonaparte, der natürlichen weichen müssen. Sie ist eine Halbheit, eine Anomalie, denn Krieg und Friede sind im Grunde Begriffe, die keiner Gradation fähig sind; aber sie ist nichtsdestoweniger kein bloßes diplomatisches Herkommen, über welches sich die Vernunft hinwegsetzen könnte, sondern tief in der natürlichen Beschränktheit und Schwäche des Menschen gegründet.
Endlich hat such im eigenen Kriege die politische Veranlassung desselben einen mächtigen Einfluß auf seine Führung.
Wollen wir vom Feinde nur ein geringes Opfer, so begnügen wir uns, durch den Krieg nur ein geringes Äquivalent zu gewinnen, und dazu glauben wir, mit mäßigen Anstrengungen zu gelangen. Ungefähr ebenso schließt der Gegner. Findet nun der eine oder der andere, daß er sich in seiner Rechnung etwas betrogen hat, daß er dem Feinde nicht, wie er gewollt, um etwas überlegen, sondern daß er selbst schwächer ist, so fehlt es doch in dem Augenblick gewöhnlich an Geld und an allen andern Mitteln, es fehlt an hinreichendem moralischen Anstoß zu größerer Energie; man behilft sich also, wie man kann, hofft von der Zukunft günstige Ereignisse, wenn man auch gar kein Recht dazu hat, und der Krieg schleppt sich unterdessen wie ein siecher Körper kraftlos fort.
So geschieht es, daß die Wechselwirkung, das Überbieten, das Gewaltsame und Unaufhaltsame des Krieges sich in der Stagnation schwacher Motive verlieren, und daß beide Parteien sich in sehr verkleinerten Kreisen mit einer Art Sicherheit bewegen.
Läßt man diesen Einfluß des politischen Zweckes auf den Krieg einmal zu, wie man ihn denn zulassen muß, so gibt es keine Grenze mehr, und man muß sich gefallen lassen, auch zu solchen Kriegen herunterzusteigen, die in bloßer [604] Bedrohung des Gegners und in einem Subsidium des Unterhandelns bestehen.
Daß sich die Theorie des Krieges, wenn sie eine philosophische Überlegung sein und bleiben will, hier in Verlegenheit befindet, ist klar. Alles, was in dem Begriff des Krieges Notwendiges liegt, scheint vor ihr zu fliehen und sie ist in Gefahr, jedes Stützpunktes zu entbehren. Aber es zeigt sich bald der natürliche Ausweg. Je mehr in den kriegerischen Akt ein ermäßigendes Prinzip kommt, oder vielmehr: je schwächer die Motive des Handelns werden, um so mehr geht das Handeln in ein Leiden über, um so weniger trägt sich zu, um so weniger bedarf es leitender Grundsätze. Die ganze Kriegskunst verwandelt sich in bloße Vorsicht, und diese wird hauptsächlich darauf gerichtet sein, daß das schwankende Gleichgewicht nicht plötzlich zu unserem Nachteil umschlage und der halbe Krieg sich in einen ganzen verwandle.
B. Der Krieg ist ein Instrument der Politik
Nachdem wir uns bis jetzt, bei dem Zwiespalt, in dem die Natur des Krieges mit anderen Interessen des einzelnen Menschen und des gesellschaftlichen Verbandes steht, bald nach der einen, bald nach der andern Seite haben umsehen müssen, um keins dieser entgegengesetzten Elemente zu vernachlässigen, ein Zwiespalt, der in dem Menschen selbst gegründet ist und den der philosophische Verstand also nicht lösen kann, wollen wir nun diejenige Einheit suchen, zu welcher sich im praktischen Leben
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