Vom Kriege
waren: daß seine Macht sich im Winter so aufgestellt fand und ein Zusammenziehen derselben auf einen Punkt dem Stoß die Überraschung benommen haben würde; nächst dem aber, daß dieses konzentrische Vordringen jedes der beiden österreichischen Kriegstheater in seiner Flanke und im Rücken bedroht war. Die Gefahr, welcher sich Friedrich der Große dabei aussetzte, war, daß eine seiner beiden Armeen von überlegener Macht zugrunde gerichtet würde; verstanden die Österreicher das nicht, so konnten sie die Schlacht entweder nur im Zentro annehmen, oder sie waren in Gefahr, auf der einen oder andern Seite ganz aus ihrer Rückzugslinie hinausgeworfen zu werden und eine Katastrophe zu erleben; und dies war der erhöhte Erfolg, welchen dieses Vordringen dem Könige versprach. Die Österreicher zogen die Schlacht im Zentrum vor, aber Prag, wo sie sich aufstellten, lag noch zu sehr im Einfluß des umfassenden Angriffs, der, weil sie sich ganz leidend verhielten, Zeit hatte, in seine letzte Wirksamkeit auszulaufen. Die Folge war, als sie die Schlacht verloren hatten, eine wahre Katastrophe; denn daß zwei Drittel der Armee mit dem kommandierenden General sich in Prag einschließen lassen mußten, kann wohl dafür gelten.
Dieser glänzende Erfolg bei Eröffnung des Feldzugs lag in dem Wagstück des konzentrischen Angriffs. Wenn Friedrich die Präzision seiner eigenen Bewegungen, die Energie seiner Generale, die moralische Überlegenheit seiner Truppen auf der einen Seite und die Schwerfälligkeit der Österreicher auf der andern für hinreichend hielt, um seinem Plan Erfolg zu versprechen, wer konnte ihn tadeln! Aber diese moralischen Größen dürfen nicht aus dem Kalkül weggelassen und der einfachen geometrischen Form des Angriffs schlechtweg die Ursache zugeschrieben werden. Man denke nur an den nicht weniger glänzenden Feldzug Bonapartes im Jahr 1796, wo die Österreicher für ein konzentrisches Vordringen in Italien so auffallend bestraft wurden. Die Mittel, welche dem französischen General hier zu Gebot standen, hätten mit Ausschluß der moralischen auch dem österreichischen Feldherrn im Jahr 1757 zu Gebot gestanden, und zwar mehr als das, denn er war nicht, wie Bonaparte, schwächer als sein Gegner. Wo man also befürchten muß, dem Gegner durch ein getrenntes konzentrisches Vordringen die Möglichkeit zu verschaffen, vermittelst der inneren Linien die Ungleichheit der Streitkräfte aufzuheben, da ist es nicht zu raten, und wenn es der Lage der Streitkräfte wegen stattfinden muß, als ein notwendiges Übel zu betrachten.
[621] Wenn wir von diesem Gesichtspunkt aus einen Blick auf den Plan werfen, welcher im Jahre 1814 für das Eindringen in Frankreich gemacht wurde, so können wir ihn unmöglich billigen. Die russische, österreichische und preußische Armee befanden sich auf einem Punkt bei Frankfurt am Main in der natürlichsten und geradesten Richtung gegen den Schwerpunkt der französischen Monarchie. Man trennte sie, um mit einer Armee von Mainz her, mit der andern durch die Schweiz in Frankreich einzudringen. Da der Feind so schwach an Kräften war, daß an eine Verteidigung der Grenze nicht gedacht werden konnte, so war der ganze Vorteil, welchen man von diesem konzentrischen Vordringen zu erwarten hatte, wenn es gelang: daß, indem man mit der einen Armee Lothringen und den Elsaß eroberte, mit der andern die Franche-Comté genommen wurde. War dieser kleine Vorteil der Mühe wert, nach der Schweiz zu marschieren? - Wir wissen wohl, daß noch andere, übrigens ebenso schlechte Gründe, für diesen Marsch entschieden haben, wir bleiben aber hier bei diesem Element stehen, wovon wir gerade handeln.
Von der andern Seite war Bonaparte der Mann, der die Verteidigung gegen einen konzentrischen Angriff sehr wohl verstand, wie sein meisterhafter Feldzug von 1796 gezeigt hatte, und wenn man ihm sehr an der Zahl überlegen war, so räumte man doch bei jeder Gelegenheit ein, wie sehr er es moralisch sei. Er kam zu spät bei seiner Armee nach Châlons an und dachte überhaupt zu geringschätzig von seinen Gegnern, und doch fehlte wenig daran, daß er die beiden Armeen unvereinigt getroffen hätte; und wie fand er sie bei Brienne dennoch geschwächt? Blücher hatte von seinen 65000 Mann noch 27000 unter den Händen und die Hauptarmee von 200000 Mann noch 100000. Es war unmöglich, dem Gegner ein besseres Spiel zu geben. Auch fühlte man von dem Augenblick an, wo man zum Handeln schritt, kein sehnlicheres
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