Vom Kriege
Straßen auf beiden exzentrisch. Frankreich dagegen kann schon eher durch einen entscheidenden Erfolg auf dem einen über das andere mitentscheiden, weil die Richtung seiner Kräfte auf beide konzentrisch gegen Wien und den Schwerpunkt der österreichischen Monarchie geht; ferner kann man sagen, daß es leichter von Italien aus über das rheinische Kriegstheater, als umgekehrt mitentscheiden kann, weil der Stoß von Italien aus mehr auf das Zentrum und der vom Rhein aus mehr auf den Flügel der österreichischen Macht trifft.
Es geht hieraus hervor, daß der Begriff von getrennter und zusammenhängender feindlicher Macht auch durch alle Stufenverhältnisse fortläuft, und daß man also im einzelnen Fall erst übersehen kann, welchen Einfluß die Begebenheiten des einen Kriegstheaters auf das andere haben werden, wonach sich dann erst ausmachen läßt, inwiefern man die verschiedenen Schwerpunkte der feindlichen Macht auf einen zurückführen kann.
Von dem Grundsatz, alle Kraft gegen den Schwerpunkt der feindlichen Macht zu richten, gibt es nur eine Ausnahme: wenn nämlich Nebenunternehmungen ungewöhnliche Vorteile versprechen, und doch setzen wir dabei voraus, daß entschiedene Überlegenheit uns dazu in den Stand setzt, ohne auf dem Hauptpunkt zu viel zu wagen.
[619] Als General Bülow im Jahr 1814 nach Holland marschierte, konnte man voraussehen, daß die 30000 Mann seines Korps nicht allein ebensoviel Franzosen neutralisieren, sondern auch den Holländern und Engländern Gelegenheit geben würden, mit Kräften aufzutreten, die ohnedem gar nicht in Wirksamkeit gekommen wären.
So wird also der erste Gesichtspunkt beim Entwurf des Krieges der sein: die Schwerpunkte der feindlichen Macht auszumitteln und sie womöglich auf einen zurückzuführen. Der zweite wird sein: die Kräfte, welche gegen diesen Schwerpunkt gebraucht werden sollen, zu einer Haupthandlung zu vereinigen.
Hier können nun folgende Gründe für ein Teilen und Trennen der Streitkräfte uns entgegentreten:
1. Die ursprüngliche Aufstellung der Streitkräfte, also auch die Lager der im Angriff begriffenen Staaten.
Wenn die Vereinigung der Streitkräfte Umwege und Zeitverlust verursacht und die Gefahr beim getrennten Vordringen nicht zu groß ist, so kann dasselbe dadurch gerechtfertigt sein; denn eine nicht notwendige Vereinigung der Kräfte mit großem Zeitverlust zu bewerkstelligen und dem ersten Stoß dadurch seine Frische und Schnellkraft zu benehmen, wäre gegen den zweiten von uns aufgestellten Hauptgrundsatz. In allen Fällen, wo man Aussicht hat, den Feind einigermaßen zu überraschen, wird dies eine besondere Rücksicht verdienen.
Aber wichtiger ist noch der Fall, wenn der Angriff von verbündeten Staaten unternommen wird, die gegen den angegriffenen Staat nicht auf einer Linie, nicht hinter, sondern nebeneinander liegen. Wenn Preußen und Österreich den Krieg gegen Frankreich unternehmen, so wäre es eine sehr gezwungene, Zeit und Kräfte verschwendende Maßregel, wenn die Heere beider Mächte von einem Punkte aus vorgehen wollten, da die natürliche Richtungslinie der Preußen vom Niederrhein und der Österreicher vom Oberrhein auf das Herz von Frankreich geht. Die Vereinigung könnte also hier nicht ohne Aufopferung erreicht werden, und es frägt sich also in dem einzelnen Fall, ob sie so notwendig ist, diese Opfer bringen zu müssen.
2. Das getrennte Vorgehen kann größere Erfolge darbieten.
Da hier von dem getrennten Vorgehen gegen einen Schwerpunkt die Rede ist, so setzt das ein konzentrisches Vorgehen voraus. Ein getrenntes Vorgehen auf parallelen oder exzentrischen Linien gehört in die Rubrik der Nebenunternehmungen, wovon wir schon gesprochen haben.
Nun hat jeder konzentrische Angriff in der Strategie wie in der Taktik die Tendenz der größeren Erfolge; denn wenn er gelingt, so ist nicht ein einfaches Werfen, sondern mehr oder weniger ein Abschneiden der feindlichen Armeen die Folge davon. Der konzentrische Angriff ist also immer der erfolgreichere, aber wegen der getrennten Teile und des vergrößerten Kriegstheaters auch der gewagtere; es verhält sich damit wie mit [620] Angriff und Verteidigung, die schwächere Form hat den größten Erfolg für sich.
Es kommt also darauf an, ob sich der Angreifende stark genug fühlt, nach diesem großen Ziel zu streben.
Als Friedrich der Große im Jahr 1757 in Böhmen vordringen wollte, tat er es mit getrennter Macht von Sachsen und Schlesien aus. Die beiden Hauptgründe dazu
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