Vom Kriege
Tätigkeit gedrängt; befinden sie sich aber in naher [635] Verbindung oder gar auf einem Kriegstheater, so ist dies nicht der Fall, und außerdem lähmt der üble Wille des einen die Kräfte des andern mit.
Im ersten der drei angegebenen Fälle wird die völlige Trennung keine Schwierigkeiten haben, weil das natürliche Interesse jeder Macht ihr gewöhnlich schon eine andere Richtung ihrer Kräfte zuweist; im zweiten Fall kann es daran fehlen, und dann bleibt in der Regel nichts übrig, als sich der Hilfsarmee, wenn ihre Stärke einigermaßen dazu geeignet ist, ganz unterzuordnen, wie die Österreicher am Ende des Feldzugs von 1815 und die Preußen im Feldzug von 1807 getan haben.
Was die persönliche Eigentümlichkeit der Generale betrifft, so geht hier alles in das Individuelle über, aber die eine allgemeine Bemerkung dürfen wir nicht übergehen, daß man nicht, wie wohl zu geschehen pflegt, die vorsichtigsten und behutsamsten an die Spitze der untergeordneten Armeen stellen soll, sondern die unternehmendsten, denn wir kommen darauf zurück: es ist bei der getrennten strategischen Wirksamkeit nichts so wichtig, als daß jeder Teil tüchtig arbeite, die volle Wirksamkeit seiner Kräfte äußere, wobei denn die Fehler, welche auf einem Punkte begangen sein können, durch die Geschicklichkeit auf andern ausgeglichen werden. Nun ist man aber dieser vollen Tätigkeit aller Teile nur gewiß, wenn die Führer rasche, unternehmende Leute sind, die der innere Trieb, das eigene Herz vorwärtstreibt, weil eine bloße objektive kalte Überlegung von der Notwendigkeit des Handelns selten ausreicht.
Endlich bleibt noch die Bemerkung übrig, daß, wenn es sonst die Umstände gestatten, die Truppen und Feldherren in Beziehung auf ihre Bestimmung und auf die Natur der Gegend nach ihren Eigentümlichkeiten gebraucht werden sollen.
Stehende Heere, gute Truppen, zahlreiche Reiterei, alte, vorsichtige, verständige Feldherren in offenen Gegenden; Landmilizen, Volksbewaffnung, zusammengerafftes Gesindel, junge, unternehmende Führer in Wäldern, Bergen und Pässen, Hilfsheere in reichen Provinzen, wo sie sich gefallen.
Was wir bisher über den Kriegsplan im allgemeinen und in diesem Kapitel über denjenigen insbesondere gesagt haben, welcher auf die Niederwerfung des Gegners gerichtet ist, hatte die Absicht, das Ziel desselben über alles hervorzuheben und demnächst Grundsätze anzugeben, welche bei der Einrichtung der Mittel und Wege leiten sollen. Wir wollten dadurch ein klares Bewußtsein von dem, was man in einem solchen Kriege will und soll, bewirken. Das Notwendige und Allgemeine wollten wir herausheben, dem Individuellen und Zufälligen seinen Spielraum lassen, aber das Willkürliche, Unbegründete, das Spielende oder Phantastische oder Sophistische wollten wir entfernen. Haben wir diesen Zweck erreicht, so sehen wir unsere Aufgabe als gelöst an.
Wer nun sehr betreten ist, hier nichts von Umgehung der Flüsse, von Bemeisterung der Gebirge durch ihre beherrschenden Punkte, von Vermeidung [636] der festen Stellungen und Schlüssel des Landes zu finden, der hat uns nicht verstanden, und wir gestehen, daß wir glauben, ein solcher hat auch den Krieg in seinen großen Beziehungen noch nicht verstanden.
Wir haben in den früheren Büchern diese Gegenstände im allgemeinen charakterisiert und dabei gefunden, daß sie meistens von einer viel schwächeren Natur sind, als man nach ihrem Ruf glauben sollte. Um so weniger können und sollen sie in einem Kriege, dessen Ziel die Niederwerfung des Feindes ist, eine große Rolle spielen, nämlich eine solche, die auf den ganzen Kriegsentwurf Einfluß hätte.
Der Einrichtung des Oberbefehls werden wir am Schlusse dieses Buches ein eigenes Kapitel widmen. -
Wir wollen dies Kapitel mit einem Beispiel beschließen.
Wenn Österreich, Preußen, der Deutsche Bund, die Niederlande und England einen Krieg gegen Frankreich beschließen, Rußland aber neutral bleibt, ein Fall, der sich seit hundertundfünfzig Jahren schon so oft erneuert hat, so sind sie imstande, einen Angriffskrieg zu führen, der auf die Niederwerfung des Gegners gerichtet ist. Denn so groß und mächtig Frankreich ist, so kann es doch in den Fall kommen, die größere Hälfte seines Reiches von feindlichen Armeen überschwemmt, die Hauptstadt in ihrem Besitz und sich auf unzureichende Hilfsquellen zurückgeführt zu sehen, ohne daß es außer Rußland eine Macht gäbe, die es mit großer Wirksamkeit unterstützen
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