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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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nicht zur historischen Erscheinung werden, wenn die Gemüts- und Charaktereigenschaften, von denen wir gehandelt haben, ihn nicht unterstützten.
    Das bloße Motiv der Wahrheit ist in dem Menschen nur äußerst schwach, und darum immer ein großer Unterschied zwischen dem Erkennen und Wollen, zwischen dem Wissen und Können. Den stärksten Anlaß zum Handeln bekommt der Mensch immer durch Gefühle, und den kräftigsten Nachhalt, wenn man uns den Ausdruck gestatten will, durch jene Legierungen von Gemüt und Verstand, die wir in der Entschlossenheit, Festigkeit, Standhaftigkeit und Charakterstärke kennengelernt haben.
    [82] Wenn übrigens diese erhöhte Geistes- und Gemütstätigkeit des Feldherrn sich nicht in dem Totalerfolg seines Wirkens kundtäte und nur auf Treue und Glauben angenommen würde, so würde sie nur selten zur historischen Erscheinung werden.
    Was von dem Gange der kriegerischen Ereignisse bekannt wird, ist gewöhnlich sehr einfach, sieht sich einander sehr ähnlich, und niemand, der sich an die bloße Erzählung hält, sieht von den Schwierigkeiten, die dabei überwunden wurden, etwas ein. Nur hin und wieder kommt in den Memoiren der Feldherren oder ihrer Vertrauten oder bei Gelegenheit einer besonderen historischen Forschung, die sich auf ein Ereignis verbissen hat, ein Teil der vielen Fäden an das Tageslicht, die das ganze Gewebe bilden. Die meisten Überlegungen und Geisteskämpfe, welche einer bedeutenden Ausführung vorhergehen, werden absichtlich verborgen, weil sie politische Interessen berühren, oder geraten zufällig in Vergessenheit, weil sie als bloße Gerüste betrachtet werden, die nach Vollendung des Baues weggenommen werden müssen.
    Wollen wir nun endlich noch, ohne uns an eine nähere Bestimmung der höheren Seelenkräfte zu wagen, einen Unterschied in der Verstandeskraft selbst gelten lassen, nach gewohnten Vorstellungen, wie sie sich in der Sprache fixiert haben, und uns dann fragen, welcher Art von Verstand dem kriegerischen Genius am nächsten angehört, so wird uns sowohl der Blick auf den Gegenstand als auf die Erfahrung sagen, daß es mehr die prüfenden als schaffenden, mehr die umfassenden als einseitig verfolgenden, mehr die kühlen als die heißen Köpfe sind, denen wir im Kriege das Heil unserer Brüder und Kinder, die Ehre und Sicherheit unseres Vaterlandes anvertrauen möchten.
Viertes Kapitel: Von der Gefahr im Kriege
    Gewöhnlich macht man sich, ehe man sie kennengelernt hat, eine Vorstellung davon, die eher anziehend als zurückschreckend ist. Im Rausche der Begeisterung sturmschritts auf den Feind eindringen - wer zählt da die Kugeln und die Fallenden! -, die Augen wenige Momente zugedrückt, sich dem kalten Tode entgegenzuwerfen, ungewiß, ob wir oder andere ihm entrinnen werden - und dies alles dicht am goldenen Ziel des Sieges - dicht vor der labenden Frucht, nach welcher der Ehrgeiz durstet –, kann das schwer sein? Es wird nicht schwer sein, und noch weniger wird es so scheinen. Aber solcher Momente, die dennoch nicht das Werk eines einzigen Pulsschlages [83] sind, wie sie gedacht werden, sondern wie arzneiliche Mischungen mit Zeit verdünnt und verdorben genossen werden müssen - solcher Momente, sagen wir, gibt es nur wenige.
    Begleiten wir den Neuling auf das Schlachtfeld. Wenn wir uns demselben nähern, so wechselt der immer deutlicher werdende Donner des Geschützes endlich mit dem Heulen der Kugeln, welches nun die Aufmerksamkeit des Unerfahrnen auf sich zieht. Kugeln fangen an, nahe vor und hinter uns einzuschlagen. Wir eilen zu dem Hügel, auf welchem der kommandierende General mit seinem zahlreichen Gefolge hält. Hier wird das nahe Einschlagen der Kanonenkugeln, das Zerspringen der Granaten schon so häufig, daß der Ernst des Lebens sich durch das jugendliche Phantasiebild hindurchdrängt. Plötzlich stürzt ein Bekannter - es schlägt eine Granate in den Haufen und bringt einige unwillkürliche Bewegungen hervor -, man fängt an zu fühlen, daß man nicht mehr völlig ruhig und gesammelt ist; auch der Bravste wird wenigstens etwas zerstreut. - Jetzt einen Schritt in die Schlacht hinein, die vor uns tobt, fast noch wie ein Schauspiel, zum nächsten Divisionsgeneral; hier folgt Kugel auf Kugel, und der Lärm des eigenen Geschützes mehrt die Zerstreuung. - Vom Divisions- zum Brigadegeneral. - Dieser, von anerkannter Tapferkeit, hält vorsichtig hinter einem Hügel, einem Hause oder hinter Bäumen; - ein sicherer Exponent der steigenden Gefahr -

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