Vom Kriege
denn auch diese Grundsätze und Regeln sollen in dem denkenden Geiste mehr die Hauptlineamente seiner eingewohnten Bewegungen bestimmen, als ihm in der Ausführung den Weg gleich Meßstangen bezeichnen.
[111] Mit diesem Gesichtspunkt wird die Theorie möglich, und ihr Widerspruch mit der Praxis hört auf
Mit diesem Gesichtspunkte wird die Möglichkeit einer befriedigenden, d. h. einer nützlichen und niemals mit der Wirklichkeit in Widerspruch tretenden Theorie der Kriegführung gegeben, und es wird nur von der verständigen Behandlung abhängen, sie mit dem Handeln so zu befreunden, daß der widersinnige Unterschied zwischen Theorie und Praxis ganz verschwinde, den oft eine unvernünftige Theorie hervorgerufen, womit sie sich von dem gesunden Menschenverstand losgesagt hat, den aber ebensooft Beschränktheit des Geistes und Unwissenheit zum Vorwand gebraucht hat, um sich in der angeborenen Ungeschicklichkeit recht gehen zu lassen.
Die Theorie betrachtet also die Natur der Zwecke und Mittel. Zweck und Mittel in der Taktik
Die Theorie hat also die Natur der Mittel und Zwecke zu betrachten.
In der Taktik sind die Mittel die ausgebildeten Streitkräfte, welche den Kampf führen sollen. Der Zweck ist der Sieg. Wie dieser Begriff näher bestimmt werden kann, wird sich in der Folge, bei der Betrachtung des Gefechts, besser sagen lassen. Wir begnügen uns hier, den Abzug des Gegners vom Kampfplatz als das Zeichen des Sieges anzugeben. Vermittelst dieses Sieges erreicht die Strategie den Zweck, welchen sie dem Gefecht gegeben hat, und der eine eigentliche Bedeutung ausmacht. Diese Bedeutung hat auf die Natur des Sieges allerdings einigen Einfluß. Ein Sieg, welcher darauf gerichtet ist, die feindliche Streitkraft zu schwächen, ist etwas anderes als einer, der uns bloß in den Besitz einer Stellung bringen soll. Es wird also die Bedeutung eines Gefechts auf die Anlage und Führung desselben einen merklichen Einfluß haben können. Es werden also diese Bedeutungen auch ein Gegenstand der Betrachtung für die Taktik sein.
Umstände, welche die Anwendung der Mittel immer begleiten
Da es gewisse Umstände gibt, welche das Gefecht immerwährend begleiten und mehr oder weniger Einfluß darauf haben, so müssen diese bei der Anwendung der Streitkräfte mit in Betrachtung gezogen werden.
Diese Umstände sind die Örtlichkeit (das Terrain), die Tageszeit und das Wetter.
Örtlichkeit
Die Örtlichkeit, welche wir lieber in die Vorstellung von Gegend und Boden auflösen wollen, könnte, strenggenommen, ohne Einfluß sein, wenn [112] das Gefecht in einer vollkommenen und ganz unbebauten Ebene geliefert würde.
In Steppengegenden kommt der Fall wirklich vor, in den Gegenden des gebildeten Europas ist er fast nur eine eingebildete Vorstellung. Es ist also zwischen den gebildeten Völkern kaum ein Gefecht ohne Einfluß von Gegend und Boden denkbar.
Tageszeit
Die Tageszeit wirkt auf das Gefecht durch den Unterschied von Tag und Nacht, aber die Beziehungen reichen natürlich weiter als gerade bis an die Grenze beider, weil jedes Gefecht eine gewisse Dauer hat, und die großen sogar eine Dauer von vielen Stunden. Für die Anlage einer großen Schlacht macht es einen wesentlichen Unterschied, ob sie am Morgen oder Nachmittag anfängt. Indessen wird es allerdings eine Menge Gefechte geben, wo sich der Umstand der Tageszeit als ganz gleichgültig verhält, und in der Allgemeinheit der Fälle ist der Einfluß nur gering.
Wetter
Noch seltener wird das Wetter von einem bestimmenden Einfluß, und meistens ist es nur durch den Nebel, daß es eine Rolle spielt.
Zwecke und Mittel in der Strategie
Die Strategie hat ursprünglich den Sieg, d. h. den taktischen Erfolg, als Mittel und, in letzter Instanz, die Gegenstände, welche unmittelbar zum Frieden führen sollen, als Zweck. Die Anwendung ihres Mittels zu diesen Zwecken ist gleichfalls von Umständen begleitet, die mehr oder weniger Einfluß darauf haben.
Umstände, welche die Anwendung der Mittel begleiten
Diese Umstände sind Gegend und Boden, aber die erstere zugleich erweitert zu Land und Volk des ganzen Kriegstheaters; die Tageszeit, aber auch zugleich die Jahreszeit; endlich das Wetter, und zwar durch ungewöhnliche Erscheinungen desselben, großer Frost usw.
Sie bilden neue Mittel
Indem die Strategie diese Dinge mit dem Erfolg eines Gefechts in Verbindung bringt, gibt sie diesem Erfolge und also dem Gefecht, eine besondere [113] Bedeutung, setzt ihm einen besonderen Zweck.
Weitere Kostenlose Bücher