Vom Kriege
oder gar gelehrten Offiziere hervorgegangen sind, sondern meistens ihrer ganzen Lage nach auf keine große Summe des Wissens eingerichtet sein konnten. Darum sind auch diejenigen immer im Recht als lächerliche Pedanten verspottet worden, die für die Erziehung eines künftigen Feldherrn nötig, oder auch nur nützlich hielten, mit der Kenntnis alter Details anzufangen. Es läßt sich ohne große Mühe beweisen, daß sie ihm schaden wird, weil der menschliche Geist durch die ihm mitgeteilten Kenntnisse und Ideenrichtungen erzogen wird. Nur das Große kann ihn großartig, das Kleine nur kleinlich machen, wenn er es nicht wie etwas ganz Fremdes von sich stößt.
[115] Früherer Widerspruch
Weil man diese Einfachheit des im Kriege erforderlichen Wissens nicht beachtet, sondern dieses Wissen immer mit dem ganzen Troß dienender Kenntnisse und Fertigkeiten zusammengeworfen hat: so hat man auch den offenbaren Widerspruch, in welchen man mit den Erscheinungen der wirklichen Welt geriet, nicht anders lösen können, als daß man alles dem Genie zuschrieb, welches keiner Theorie bedarf, und für welches die Theorie nicht geschrieben sein sollte.
Man leugnete deshalb den Nutzen alles Wissens und schrieb alles der natürlichen Anlage zu
Die Leute, bei denen der Mutterwitz die Oberhand behielt, fühlten wohl, welcher ungeheurer Abstand immer noch zwischen einem Genie des höchsten Fluges und einem gelehrten Pedanten auszufüllen bliebe, und diese kamen zu einer Art von Freigeisterei, indem sie allen Glauben an die Theorie von sich wiesen und das Kriegführen für eine natürliche Funktion des Menschen hielten, die er mehr oder weniger gut verrichte, nur nachdem er mehr oder weniger Anlagen dazu mit auf die Welt gebracht habe. Es ist nicht zu leugnen, daß diese der Wahrheit näher standen als die, welche den Wert auf ein falsches Wissen legten; indessen sieht man einer solchen Ansicht bald an, daß sie nichts als ein übertriebener Ausdruck ist. Keine Tätigkeit des menschlichen Verstandes ist ohne einen gewissen Reichtum von Vorstellungen möglich, diese aber werden ihm, wenigstens dem größten Teil nach, nicht angeboren, sondern erworben und machen sein Wissen aus. Es frägt sich also nur, welcher Art diese Vorstellungen sein sollen, und das glauben wir bestimmt zu haben, wenn wir sagen, daß sie für den Krieg auf die Dinge gerichtet sein sollen, mit denen er im Kriege unmittelbar zu tun hat.
Das Wissen muß sich nach der Stelle richten
Innerhalb dieses Feldes der kriegerischen Tätigkeit selbst werden sie verschieden sein müssen je nach dem Stand, den er einnimmt; auf geringere und beschränktere Gegenstände gerichtet, wenn er niedriger, auf größere und umfassendere, wenn er höher steht. Es gibt Feldherren, die an der Spitze eines Reiterregiments nicht geglänzt haben würden, und umgekehrt.
Das Wissen im Kriege ist sehr einfach, aber nicht zugleich sehr leicht
Dadurch aber, daß das Wissen im Kriege sehr einfach ist, nämlich auf so wenige Gegenstände gerichtet, und diese immer nur in ihren Endresultaten [116] auffassend, dadurch wird das Können nicht zugleich sehr leicht. Welchen Schwierigkeiten das Handeln im Kriege überhaupt unterworfen ist, davon haben wir schon im ersten Buche gesprochen; wir übergehen hier diejenigen, die nur durch den Mut überwunden werden können, und behaupten, daß auch die eigentliche Tätigkeit des Verstandes nur in den niedrigen Stellen einfach und leicht ist, mit den Stellen aber an Schwierigkeit steigt und in der höchsten Stelle, in der des Feldherrn, zu den schwierigsten gehört, die es für den menschlichen Geist gibt.
Wie das Wissen beschaffen sein muß
Der Feldherr braucht weder ein gelehrter Geschichtsforscher, noch Publizist zu sein, aber er muß mit dem höheren Staatsleben vertraut sein, die eingewohnten Richtungen, die aufgeregten Interessen, die vorliegenden Fragen, die handelnden Personen kennen und richtig ansehen; er braucht kein feiner Menschenbeobachter, kein haarscharfer Zergliederer des menschlichen Charakters zu sein, aber er muß den Charakter, die Denkungsart und Sitte, die eigentümlichen Fehler und Vorzüge derer kennen, denen er befehlen soll. Er braucht nichts von der Einrichtung eines Fuhrwerks, der Anspannung eines Geschützes zu verstehen, aber er muß den Marsch einer Kolonne seiner Dauer nach unter den verschiedenen Umständen richtig zu schätzen wissen. Alle diese Kenntnisse lassen sich nicht durch den Apparat wissenschaftlicher Formeln und
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