Vom Kriege
Insofern aber dieser Zweck nicht der ist, welcher unmittelbar zum Frieden führen soll, also nur ein untergeordneter, ist er auch als Mittel zu betrachten, und wir können also das Mittel in der Strategie die Gefechtserfolge oder Siege in allen ihren verschiedenen Bedeutungen betrachten. Die Eroberung einer Stellung ist ein solcher auf das Terrain angewendeter Gefechtserfolg. Aber nicht bloß die einzelnen Gefechte mit besonderen Zwecken sind als Mittel zu betrachten, sondern auch jede höhere Einheit, welche sich in der Kombination der Gefechte durch die Richtung auf einen gemeinschaftlichen Zweck bilden möchte, ist als ein Mittel zu betrachten. Ein Winterfeldzug ist eine solche auf die Jahreszeit angewendete Kombination.
Es bleiben also an Zwecken nur diejenigen Gegenstände übrig, die als unmittelbar zum Frieden führend gedacht sind. Alle diese Zwecke und Mittel untersucht die Theorie nach der Natur ihrer Wirkungen und ihrer gegenseitigen Beziehungen.
Die Strategie entnimmt die zu untersuchenden Mittel und Zwecke nur aus der Erfahrung
Die erste Frage ist, wie sie zu einer erschöpfenden Aufzählung dieser Gegenstände gelangt. Sollte eine philosophische Untersuchung zu einem notwendigen Resultate führen, so würde sie sich in alle Schwierigkeiten verwickeln, welche die logische Notwendigkeit von der Kriegführung und ihrer Theorie ausschließen. Sie wendet sich also an die Erfahrung und richtet ihre Betrachtung auf diejenigen Kombinationen, welche die Kriegsgeschichte schon aufzuweisen hat. Auf diese Weise wird sie freilich eine beschränkte Theorie sein, die nur auf Verhältnisse paßt, wie die Kriegsgeschichte sie darbietet. Aber diese Beschränkung ist ja auch schon darum unvermeidlich, weil die Theorie in jedem Falle das, was sie von den Dingen aussagt, entweder aus der Kriegsgeschichte abstrahiert oder wenigstens mit ihr verglichen haben muß. Übrigens ist eine solche Beschränkung in jedem Fall mehr eine dem Begriff als der Sache nach.
Ein großer Vorteil dieses Weges wird darin bestehen, daß die Theorie sich nicht in Grübeleien, Spitzfindigkeiten und Hirngespinsten verlieren kann, sondern praktisch bleiben muß.
Wie weit die Analyse der Mittel gehen muß
Eine andere Frage ist, wie weit die Theorie in ihrer Analyse der Mittel gehen soll. Offenbar nur so weit, als die abgesonderten Eigenschaften beim Gebrauch in Betracht kommen. Die Schußweite und Wirkung der verschiedenen Waffen ist der Taktik höchst wichtig, ihre Konstruktion, obgleich jene Wirkungen daraus hervorgehen, höchst gleichgültig, denn der [114] Kriegführung sind nicht Kohlen, Schwefel und Salpeter, Kupfer und Zinn gegeben, um daraus Pulver und Kanonen zu machen, sondern die fertigen Waffen mit ihrer Wirkung sind das Gegebene. Die Strategie macht Gebrauch von Karten, ohne sich um trigonometrische Messungen zu bekümmern; sie untersucht nicht, wie ein Land eingerichtet, ein Volk erzogen und regiert werden muß, um die besten kriegerischen Erfolge zu geben, sondern sie nimmt diese Dinge, wie sie in der europäischen Staatengesellschaft angetroffen werden, und macht darauf aufmerksam, wo sehr verschiedene Zustände einen merklichen Einfluß auf den Krieg haben.
Große Vereinfachung des Wissens
Daß auf diese Weise für die Theorie die Zahl der Gegenstände sehr vereinfacht und das für die Kriegführung erforderliche Wissen sehr beschränkt wird, ist leicht einzusehen. Die sehr große Masse von Kenntnissen und Fertigkeiten, die der kriegerischen Tätigkeit im allgemeinen dienen, und die nötig werden, ehe ein ausgerüstetes Heer ins Feld rücken kann, drängen sich in wenige große Resultate zusammen, ehe sie dazu kommen, im Kriege den endlichen Zweck ihrer Tätigkeit zu erreichen: so wie die Gewässer des Landes sich in Ströme vereinigen, ehe sie ins Meer kommen. Nur diese sich unmittelbar ins Meer des Krieges ergießenden Tätigkeiten hat derjenige kennenzulernen, welcher sie leiten will.
Sie erklärt das schnelle Ausbilden großer Feldherren, und warum ein Feldherr kein Gelehrter ist
In der Tat ist dieses Resultat unserer Betrachtung ein so notwendiges, daß jedes andere uns mißtrauisch gegen ihre Richtigkeit machen müßte. Nur so erklärt es sich, wie so oft Männer im Kriege, und zwar in den höheren Stellen, selbst als Feldherren, mit großem Erfolg aufgetreten sind, die früher eine ganz andere Richtung ihrer Tätigkeit hatten; ja wie überhaupt die ausgezeichneten Feldherren niemals aus der Klasse der Vielwissenden
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