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Vom Mondlicht berührt

Titel: Vom Mondlicht berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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richtig gedeutet hatte. »Ich hatte befürchtet, dadurch ungebührlich zu wirken. Doch als ich unsere Dienste angeboten hatte, bestand Jean-Baptiste darauf, dass Arthur und ich in höchster Eile anreisen.«
    »›In höchster Eile‹? Ihr kommt wohl nicht oft vor die Tür, was?«, sagte Charlotte grob.
    »Charlotte!«, tadelte ich sie und stupste ihr meinen Ellbogen in die Seite.
    »Ich nehme keinen Anstoß«, lachte Violette. »Ihr habt ganz recht, Charlotte. Arthur und ich ziehen es vor, unter uns zu bleiben. Ich genieße die Lektüre alter Bücher. Und als ständige Bewohner und Hüter des Chateau de Langeais kommen wir in der Tat, so wie Ihr es nanntet, ›nicht oft vor die Tür‹. Ein Faktum, das wohl auch an meiner Sprache erkennbar ist.«
    »Wenn Ihr nie mit Menschen zu tun habt, wie kommt Ihr ihnen dann unauffällig nah genug, um sie zu retten?«, fragte Charlotte, sichtlich bemüht, ihre Verbitterung in den Griff zu bekommen.
    »Ich vermute. Ihr seid Euch darüber im Klaren, dass der Drang zu sterben nachlässt, je länger man als Revenant existiert. Als Jean-Baptiste vor ein paar Wochen Kontakt zu mir suchte, war ich fast sechzig. Danach gelang es mir, ein paar Kindern, die auf Bahngleisen spielten, das Leben zu retten. Arthur erlöste einen Jäger, der von Wildschweinen angegriffen wurde. Nun können wir uns mit voller Kraft jeder neuen Aufgabe stellen. Das war das belebendste Ereignis ...« Sie machte eine kurze Pause, um über ihr Wortspiel zu lächeln, »... das wir seit Jahrzehnten bezeugen durften.«
    Ich erschauderte. Nicht vor Kälte, sondern angesichts der Vorstellung, dass dieses junge Mädchen bis vor Kurzem wie ihre eigene Großmutter ausgesehen haben musste – also, sofern ihre Großmutter nicht schon längst mumifiziert war. Und nun stand sie vor mir und sah jünger aus als ich. Auch wenn ich mittlerweile genug Zeit gehabt hatte, mich daran zu gewöhnen, fand ich es immer noch schwer vorstellbar: Starben Revenants und wurden dann wieder belebt, waren sie genauso alt wie zum Zeitpunkt ihres ersten Todes.
    Violette sah Charlotte kurz forschend ins Gesicht und legte dann einen ihrer eleganten Finger auf Charlottes Arm. »Ich werde davon absehen, in Eurem Zimmer zu wohnen, wenn Ihr das wünscht. Jean-Baptiste hat mir ein Gästegemach angeboten. Eure Einrichtung ist jedoch viel mehr nach meinem Geschmack als sein Hang zu dunklen Lederpolstern und Geweihkronleuchtern.«
    Da musste selbst Charlotte lachen. Sie nahm Violettes Hand und stellte sich vor die jahrhundertealte Jugendliche. »Es tut mir leid. Das alles ist gerade nicht leicht für Charles und mich. Die Bewohner dieses Hauses sind weit mehr als nur meine Anverwandten, sie sind mittlerweile Familie. Und dass ich sie in dieser schwierigen Lage verlassen muss, bringt mich buchstäblich um.«
    Ich versuchte, mein Grinsen zu unterdrücken, doch Charlotte sah es trotzdem und lächelte. »Also gut, vielleicht nicht buchstäblich. Du weißt, wie ich das meine.«
    Violette neigte sich zu Charlotte und nahm sie steif in die Arme. »Macht Euch keine Sorgen. Arthur und ich nehmen uns Eurer Anverwandten an und die gegenwärtigen Schwierigkeiten werden alsbald der Vergangenheit angehören.«
    Charlotte erwiderte ihre Umarmung, jedoch ähnlich steif, schließlich stand Violette so, als würde sie ein Korsett tragen. Aber es schien, als hätten die beiden Frieden geschlossen. Ich fragte mich unwillkürlich, ob es Charles ähnlich erging.

 
    E ins der Fenster zum Ballsaal wurde aufgestoßen und Vincent lehnte sich hinaus. In seinem klassischen Smoking sah er aus wie ein Filmstar aus alten Tagen. »Es ist fast Mitternacht, meine Damen. Und ich wollte nicht unbedingt Gaspard küssen, wenn die Turmuhr das zwölfte Mal geschlagen hat.« Er grinste breit und warf einen Blick über seine Schulter zu seinem älteren Freund, der mit den Augen rollte und verzweifelt den Kopf schüttelte.
    Violette, Charlotte und ich betraten den Saal, als die Gäste gerade begannen, die letzten Sekunden bis Mitternacht rückwärts zu zählen. Die Luft knisterte vor Aufregung – was mich ziemlich verblüffte, wenn ich mir vorstellte, wie oft manche der Anwesenden sicher schon Silvester gefeiert haben mussten. Für Menschen markierte es den Auftakt eines neuen Jahres: eins von vielleicht mehreren Dutzend, je nachdem wie viele ihnen das Schicksal zugestand. Revenants hingegen hatten ja ständig Neuanfänge, da war es doch verwunderlich, dass dieser Tag auch für sie ein besonderer

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