Vom Nehmen Und Genommenwerden
Sicht nicht. Gefragt ist deshalb die Fähigkeit, uns in jedem Moment und in jeder Situation entspannen zu können. Dafür gibt es ein einfaches, aber sehr effektives Mittel, über das wir jederzeit verfügen: das bewusste Atmen. Zwei, drei entspannte, tiefe Atemzüge, ein Seufzer. Sobald wir unsere Aufmerksamkeit auf das Atmen richten, tritt die Hektik des Alltags für einen kurzen, jedoch zentralen Moment in den Hintergrund. Wie der vietnamesische, in Frankreich lebende Mönch und Weisheitslehrer Thich Nhat Hanh lehrt: »Einatmend entspanne ich Körper und Geist. Ausatmend lächle ich. Im gegenwärtigen Moment verweilend weià ich, dass dies der einzige Moment ist.«
Mit Entspannung ist nicht gemeint, abzuschlaffen, abzuwarten oder passiv zu sein. Das führt uns nicht aus dem Stress heraus. Eine wirkliche Entspannung ist immer begleitet von einer Prise Achtsamkeit. Legen wir uns zum Beispiel beim Meditieren hin, um uns vermeintlich besser zu entspannen, schlafen wir ein oder hängen Tagträumen nach. Wenn wir uns hingegen bewusst und aufrecht hinsetzen, bleibt ein Teil in uns sehr wach, weil wir immer wieder in die Lotrechte zurückfinden müssen. Dadurch bleiben die Gelenke offen, die Körperflüssigkeiten pulsieren, der Atem flieÃt, und wir werden zum Zeugen unseres Seins. Das Geheimnis der Entspannung besteht also darin, aufmerksam wahrzunehmen und anzunehmen, was ist. Wir lassen so die Vergangenheit und Zukunft los. Wir sind zeitlos und präsent. Beruhigt sich der Atem, lässt auch der Körper nach und nach los, und die Gedanken werden stiller. Entspannung ist schlussendlich ein sich vertiefender Prozess, der auf der Körperebene beginnt, aber die Einheit von Körper, Seele und Geist umfasst und uns immer durchlässiger werden lässt.
Dasselbe passiert beim stillen Lieben. Entspannung ist das A und O und weder mit Trägheit, Nichtstun oder gar mit Einschlafen zu verwechseln. Im Gegenteil: Wir lassen uns vertrauensvoll in die hohen Erregungszustände hineinfallen. Beim Lieben Körper und Kopf loszulassen und in einer entspannten Wachheit des Geistes zu verweilen ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Wir bleiben dem AuÃen gegenüber offen, lenken unsere Aufmerksamkeit jedoch nach innen. Um in dieser Qualität zu lieben, vermeiden wir möglichst alle Bewegungen. So kommt die Sexualenergie in Fluss und wird in Liebe und Meditation transformiert.
Auf dieser Ebene hat die Sexualität etwas Grenzenauflösendes. Gerade wenn beide Partner in sich selbst ruhen, können in der sexuellen Vereinigung viele Grenzen angstfrei aufgehoben werden. Mit einiger Ãbung und viel Vertrauen gelingt es, bei diesen tief greifenden Prozessen entspannt zu bleiben. Wir genieÃen die orgasmische Ekstase in vollen Zügen, geben uns dem Vibrieren der Lebensenergie hin, spüren sie bis in jede Körperzelle. Möglicherweise holt uns dabei aber auch die Angst ein. Dann laufen wir Gefahr, in eine der bereits beschriebenen Grundreaktionen zu verfallen: Vermeidung, Starre oder Flucht. Aber auch hier gibt es eine sanfte Lösung, wie wir sie schon im Umgang mit den Ãngsten beim feurigen Lieben kennengelernt haben. Die Lösung lautet: der Situation gegenüber offen bleiben, bewusst wahrnehmen, was geschieht, und in Verbindung mit dem inneren Beobachter sein.
Ãber Zeit und Vereinbarungen
Um die vielen Aspekte des stillen Liebens in der Tiefe zu erfahren, sollten wir zwei Dinge tun: uns Zeit nehmen und Vereinbarungen treffen.
Zum Thema Zeit hat die deutsche Sängerin Elke Voltz ein Gedicht von Elli Michler vertont, das wir hier in gekürzter Form wiedergeben:
Ich wünsche dir nicht alle möglichen Gaben â Ich wünsche dir nur, was die meisten nicht haben: Ich wünsche dir Zeit, dich zu freun und zu lachen â und wenn du sie nützt, kannst du etwas draus machen. Zeit für dein Tun und dein Denken â nicht nur für dich selbst, sondern auch zum Verschenken. Zeit, nicht zum Hasten und Rennen, sondern Zeit zum Zufriedenseinkönnen. Zeit, kostbare Zeit, vergeht im Fluge â fang sie ein, genieÃe sie, genieÃe deine Zeit.
Ich wünsche dir Zeit, um nach den Sternen zu greifen â um zu fühlen, das heiÃt, um zu reifen. Zeit, um zu hoffen, zu lieben. Es hat keinen Sinn, diese Zeit zu verschieben. Ich wünsche dir Zeit, zu dir selber zu finden â als Glück zu
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