Vom Nehmen Und Genommenwerden
können wir die leisen Empfindungen in unserem Becken und in unseren Genitalien wahrnehmen. Erst wenn wir uns nicht mehr mit unseren Fantasien und Bildern identifizieren, können wir meditativ lieben. Und erst jetzt verlieren selbst die subtilsten Glaubensmuster an Macht. Indem wir im Lieben achtsam verweilen, können sich die Verspannungen in unseren Sexualorganen lösen, und die befreite Energie verströmt sich als stille Leidenschaft und Begehren. Achtsamkeit ist die Fähigkeit, vertrauensvoll wahrzunehmen, wie die Dinge wirklich sind; sie bringt Langsamkeit in unser Leben. Wenn wir achtsam sind, nehmen wir immer etwas Abstand vom Geschehen und sind trotzdem stets mit offenem Herzen dabei, verspüren aber nicht den Wunsch, einzugreifen und etwas zu verändern.
Wenn wir durch Achtsamkeit im Liebesakt die Sexualorgane entspannen, finden sie zu ihren ursprünglichen Kräften zurück: Heilen, Nähren, Lieben und SEIN. So geht es beim stillen Lieben nicht um den Orgasmus, sondern um das Orgasmisch-Sein: sich hineinentspannen in die Lebendigkeit des Augenblicks und alles annehmen, genauso, wie es ist.
Grundsätzlich unterscheiden wir beim stillen Lieben einen Yin- und einen Yang-Aspekt. Der Yin-Aspekt lädt uns ein, präsent zu sein und die Empfindungen in den Genitalien wahrzunehmen. Der Yang-Aspekt hingegen ermöglicht uns, die Heilkraft der Sexualenergie aktiv zu nutzen.
Die Yin-Seite des stillen Liebens bedeutet, uns von fast allem zu verabschieden, was wir gelernt und erfolgreich in die Praxis umgesetzt haben. Mit anderen Worten: Wir müssen loslassen. Wir werden dazu aufgefordert, uns von den mit viel Aufwand erlernten Techniken wieder zu verabschieden, um dem Moment des Augenblicks zu vertrauen. Auf der Körperebene bedeutet das nichts anderes, als still zu werden: sich nicht mehr bewegen, einander weder liebkosen noch küssen, sich auch nicht stimulieren oder stimulieren lassen. Wir verzichten völlig auf alle bisher verfolgten Techniken und Konzepte, damit wir neuen Erfahrungen einen Raum öffnen können â Erfahrungen, wie wir sie noch nicht kannten oder höchstens hin und wieder gestreift haben. Dieser Raum ist das Hier und Jetzt, in dem es kein Vorher und kein Nachher gibt und den wir uns auch nicht mithilfe einer bestimmten Technik erschlieÃen. Wir bleiben in der Gegenwart, indem wir uns auf unsere Körperempfindungen fokussieren, denn diese finden immer nur im JETZT statt. Indem wir uns völlig auf unsere Empfindungen ausrichten, gewissermaÃen mit diesen Empfindungen eins werden, verblassen alle Vorstellungen über Zukunft und Vergangenheit, über Richtig und Falsch. Wenn wir darauf achten, nur noch Penis und Vulva zu sein, unser Bewusstsein ganz in unseren Sexualorganen zu halten, lösen sich alle Vorbehalte, Ideale und Strategien auf. Damit wird alles still und leer, und beide ruhen liebevoll im Hier und Jetzt. Indem wir der Weisheit der Genitalien vertrauen, führt uns die Yin-Seite des stillen Liebens direkt in eine wache, liebende Präsenz.
Die Yang-Seite des stillen Liebens lässt uns die Heilkraft der Genitalien für Körper, Geist und Seele nutzen. Der Weg zur Heilkraft führt über das Nichtstun, das Geschehenlassen, das Akzeptieren all dessen, was ist, und das Ãffnen für neue Erfahrungen. Wir nutzen die Heilkraft des Penis und die umfassende Liebe der Vulva, indem wir minimale und zeitlupenmäÃige Bewegungen initiieren. Wenn wir ganz bewusst die Positionen verändern, kann der Penis immer wieder neue Stellen in der Vulva berühren. Erst innige, sanfte und bewusste Berührungen lassen die Heilkraft flieÃen. Es geht also nicht darum, etwas zielgerichtet erreichen zu wollen, wie wir das aus unserem alltäglichen Leben kennen, sondern den Antworten des Körpers auf die Regungen, die aus seiner Tiefe aufsteigen, zu lauschen: ein Pulsieren im Beckenboden, ein Zucken, ein An- und Abschwellen der Genitalien oder sogar ein FlieÃen oder Schmelzen im ganzen Körper. Aber nicht wir bewegen uns, sondern ES bewegt und atmet uns. Wenn wir lange genug im Nichtstun und in der Achtsamkeit verweilen, werden uns diese Eigenbewegungen geschenkt. Dann werden Phallus und Vulva zu heiligen und heilenden Organen, denen eine ganz eigene Weisheit innewohnt.
Orgasmisch-Sein und Meditation
Beim Lieben verbinden wir zwei Dimensionen miteinander, die an sich schon immer zusammengehörten: Sexualität und
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