Vom Nehmen Und Genommenwerden
Es geht hier um die Steigerung der Lust und um die feine Gratwanderung zwischen Lust und Schmerz, aber auch um das Ausloten der Energiebewegung von Aktivität über Aggression bis hin zu Dominanz und Unterwerfung. Wir müssen mutig sein, um an diese Grenzen zu gehen, sie zu durchbrechen oder sogar aufzuheben. Feurige Ekstase braucht einen gröÃtmöglichen Spannungsbogen, wie wir ihn beispielsweise auch in den archetypischen Kräften von Sex und Tod finden. Beim sexuellen Lieben sprechen wir von den Qualitäten des Nehmens und Genommenwerdens. Wer dominiert und wer lässt sich nehmen? Können wir uns ganz und gar den Bewegungen des Körpers überlassen, stöhnen, tönen, summen, schreien, beiÃen? Dabei wird ein Höchstmaà an Energie freigesetzt. Junge Menschen lieben es, vor allem über den Körper in einen hohen energetischen Zustand zu kommen. Sie nutzen zum Beispiel wilde Rockkonzerte und Discotanz, Orgien oder Aktivitäten wie Extrembergsteigen, Drachenfliegen, Motorradrennen. Sie suchen den körperlichen Kick, den Nervenkitzel, den Adrenalinrausch.
Die feurige Ekstase ist immer geprägt von extremen körperlichen Spannungen, einem Gemisch von Aggression, gewaltigen Triebenergien und orgasmischen, rhythmischen Bewegungen. Je mehr diese eigentümliche Kombination aus Lust und unter Umständen auch aus Schmerz sich steigert, umso mehr verschmelzen die Gegensätze und können nicht mehr unterschieden werden. Da verwandelt sich mörderischer Hass in glühende Liebe, die Schmerzen der Geburt weichen einem orgasmischen Gebären, sexuelle Ausschweifung verwandelt sich in transzendentales Streben, und Todesangst geht über in eine mystische Verzückung.
Herzliche Ekstase â Liebe und Schmelzen
Im Vordergrund stehen bei der herzlichen Ekstase Gefühle von Sehnsucht, Verschmelzung und Einssein. Wir sind voll kindlicher Neugier, Unschuld und Urvertrauen bei gleichzeitig völliger Abwesenheit von Angst, Aggression und Schuldgefühlen. Die herzliche Ekstase besitzt mütterliche Qualitäten: Sie ist nährend, schützend, verschmelzend und erinnert an den Zustand des Embryos im Mutterleib. Sie wird als Heimkommen empfunden, als Aufnahme ins Paradies, wo alles im Ãberfluss vorhanden ist. Die herzliche Ekstase ist im positiven Sinne eine Symbiose, ein lebendiger Austausch zwischen zwei Lebewesen. Sie ist ein Ja zu sich, zum Partner, zum Leben, zur Weite des Herzens. Wir genieÃen es, bedingungslos zu lieben, uns hinzugeben an unser groÃes, offenes Herz. Diese ozeanische, überflieÃende Ekstase schenkt tiefe Einsicht in Zusammenhänge und lässt uns erfüllt sein von transzendentaler Liebe.
Beim sexuellen Lieben erfahren wir die Ekstase als Verbindung von zwei Energiesystemen, vergleichbar mit dem Zusammentreffen von zwei Flüssen, die sich zu einem Strom verbinden. Viele Paare kennen diesen Zustand nach leidenschaftlichem Sex, wenn sie »nachglühen« und einfach den Augenblick miteinander auskosten. Wenn sich ein Paar in dieser Innigkeit und Zuwendung liebt, flieÃt seine Liebe über das Paarsein hinaus. Erfüllt von der Leidenschaft ihrer Herzen, wollen sie ihre Liebe bedingungslos verschenken. Sie sind wie Kinder, die vor sich hin summen, singen, murmeln, leise lachen. Sie wiegen sich, schunkeln, schaukeln, schweben. Sie freuen sich über die Wunder der Welt, des Lebens, des Augenblicks. Typisch für diese ozeanische Ekstase ist das Gefühl, in Gelöstheit, Freude und Mitgefühl zu baden.
Stille Ekstase â Stille, Sein und Ãffnung
Die stille Ekstase schenkt uns Zustände von Frieden, einem tiefen Wissen, Weisheit, Ruhe und Stille, einfach Sein. Stille ist also mehr als die Abwesenheit von Lärm. In der stillen Ekstase gibt es immer noch einen inneren Zeugen, der mit einem Hauch Bewusstsein sowohl die Meditation und Stille als auch die Liebenden selbst beobachtet. Es gibt also immer noch ein Ego, ein Ich, das diese Situation bezeugt. Wir wollen zwar den Daseinsgrund, das Numinose, das kollektive Bewusstsein berühren. Aber dazu brauchen wir in einem ersten Schritt noch die Kontrollinstanz des Ego. Und weil wir dieses Ego haben, können wir uns an die stille Ekstase erinnern.
Manchmal erleben wir solche Momente auch nach Phasen der Verzweiflung, in denen wir vergeblich nach etwas suchten und um Erkenntnisse rangen. Nach solchen Zeiten der Enge empfinden wir die
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