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Vom Schlafen und Verschwinden

Vom Schlafen und Verschwinden

Titel: Vom Schlafen und Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hagena
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würde wie mein Bauch, womöglich sogar schneller, und dass es dann noch viel schwieriger werden würde. Es war aber garnicht schwierig, sondern lustvoll und leicht. Er fand meine schwerer werdenden Brüste schön und umfasste mit so viel Hingabe meine Schenkel, dass ich mich nach einigen Wochen fragte, ob er mich noch begehren würde, wenn ich einmal nicht mehr so üppig wäre.
    Bei Orlas Geburt war er fast dabei, aber es gab Komplikationen, das Köpfchen hatte sich quergestellt, ein Zustand, der sich auch siebzehn Jahre später nicht geändert hat. Ich bekam eine Vollnarkose und einen Kaiserschnitt. Declan war der einzige Vater, den Orla je hatte. Wir hatten eine gute Zeit zusammen. Er war viele Wochen im Jahr nicht zu Hause. Ich wusste inzwischen, dass er auf Tour mit anderen Frauen schlief. Das gehörte zum Leben eines Musikers, fand er. Er bemühte sich, mich nicht zu demütigen, er war diskret, aber im Laufe der Zeit erkannte ich die kleinen Zeichen. Das Mobiltelefon für »Geschäftliches«, das niemand anrühren durfte. Das Lächeln in den Mundwinkeln, wenn er mitten in der Nacht eine SMS verschickte. Es war ein triumphierendes Lächeln, das die Mundwinkel nach unten und die Brauen in die Höhe zog. Ich kannte es gut. Wenn er mein Kleid aufknöpfte, wenn er dabei gespielt beiläufig meine Brüste berührte, meinen Hals auf eine bestimmte Weise küsste und zugleich einatmete und dabei spürte, wie ich plötzlich die Luft einzog, dann lächelte er dieses Lächeln. Es galt mir immer noch, manchmal, aber er schenkte es eben auch seinem Mobiltelefon. Und es machte mir etwas aus.
    Orla wurde langsam erwachsen, Declan nicht. Doch der Gedanke rührte mich nicht mehr, er machte mich im besten Falle müde und im schlechtesten bange.
    Als ich Orla so kurz vor den Jahresprüfungen aus der Schule nahm, protestierte er nicht. Er fragte, ob wir zurückkommen würden. Nicht, ob wir bald zurückkommen würden, nur ob. Ich schaute ihn an:

    – Ich weiß nicht, was meinst du?
    – Ich weiß nicht.
    Er schaute weg. Ich nickte.
    Umrisse der Jalousien und Schnüre zeichnen ein Schattengespinst auf die Wand, und mir fällt ein, was im Abendblatt über die Spinnen stand. Eine Invasion von Brückenspinnen gebe es hier in Hamburg. Die Spinnen leben zu Tausenden auf den Gebäuden am fließenden Wasser, und nachts kriechen sie auf den Fassaden und Pfeilern herum, fressen, paaren und vermehren sich und spinnen alles ein. Selbst über den Fenstern hängen ihre Netze und darin Reste vertrockneter Fliegen, Fetzen alter Kokons oder halb aufgefressener Artgenossen.
    Dabei können Spinnen doch gar nicht über Glas gehen.
    Früher haben wir über die Spinnen, die im Haus waren, ein Glas gestülpt, vorsichtig ein Papier unter die Spinne geschoben, das Glas mit dem Papier gedreht, sodass die Spinne unten lag. Jetzt durfte man das Papier vom Rand nehmen, denn die Spinne konnte nicht am Glas hochklettern. Wir fingen immer nur die Großen aus dem Keller, die Kleinen ließen wir einfach, wo sie waren, und es waren immer irgendwo welche. Manchmal wischte Heidrun die Spinnweben mit einem seltsamen, länglichen Spinnenbesen fort, aber erst wenn die Netze leer und staubig waren. Töten durften wir die Spinnen auf keinen Fall. Dabei gab es in Grund viele Spinnen. Dort waren der Rhein mit den Rheinauen, der Hardtwald, das Tiefgestade, der Baggersee und die Felder, und daher auch Stechmücken, also Schnaken, Stubenfliegen, Kuhfliegen, Schwebfliegen, Bremsen, Marienkäfer, Gewittertierchen, Fruchtfliegen, Mai- und Junikäfer, Raps- und Kartoffelkäfer, Bienen, Wespen, auch solche, deren Beine beim Fliegen schlaff herunterhingen, Hummeln undHornissen, Weberknechte, Libellen, Schmetterlinge, Spanner und Nachtfalter in allen Größen und Mustern, Taubenschwänzchen, die so taten, als wären sie Kolibris, Motten, Wanzen, hellgrüne, fast durchsichtige Fliegen, die sehr zart waren, Grillen, Blattläuse, fliegende Ameisen und Ameisenjungfern, grüne Raupen, die sich im Frühsommer zu Tausenden von den Bäumen abseilten, und noch Millionen anderer kleiner Tiere, die sich durch die Luft bewegten. Und mit Ausnahme der besonders starken Insekten wurden sie alle von den Spinnen in ihren Netzen eingefangen. Und die Spinnen von uns. Wir öffneten ein Fenster und schütteten die Spinnen aus den Gläsern. Waren sie dick, konnten wir hören, wie sie unten aufklatschten.
    Als ich aus Dublin fort- und für ein paar Jahre wieder zurück nach Grund zog, ganz nah an den Fluss,

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