Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
habe. Aber nur eine oder zwei Stunden lang.« Ich sprach nicht weiter. Er hatte das Thema gewechselt. Absichtlich. Sollte ich wirklich hartnäckig bleiben? Ja. » Wer ist dieser Andrews?«
John trat aus dem Aufzug, noch bevor sich die Tür ganz geöffnet hatte. Eilig durchquerte er die Vorhalle des Polizeireviers. Erst an der vorderen Eingangstür blieb er stehen.
» Falin Andrews ist vor anderthalb Wochen in unser Dezernat versetzt worden. Und wenn du wissen willst, wie er an diesen Fall gekommen ist, dann frag gefälligst den Chief. Wie ist es, kommst du nun zum Abendessen mit?« Er blickte über seine Schulter, und sein Schnauzbart zuckte. » Vielleicht lässt Maria uns ja vor dem Essen noch von ihrem gestürzten Apfelkuchen naschen.« Er zwinkerte mir zu und strich sich über seinen nicht unbeachtlichen Bauch.
Ich musste unwillkürlich lächeln. Typisch John, dieser unvermittelte Wechsel von » Ich ärgere mich« zu » Mein Magen freut sich schon«. Aber zugegebenermaßen: » Kuchen« klang himmlisch. Ein Kuchen könnte diesem Tag doch noch etwas Positives verleihen.
Ich blickte durch die gläserne Tür hinaus, und augenblicklich sank meine Stimmung wieder. Draußen belagerten Reporter die Treppe, die Vans der Nachrichtensender säumten die Straße.
» Sollen wir uns hinten rausschleichen?«
John schüttelte den Kopf. » Ich habe hier vorn geparkt. Erinnerst du dich noch an die beiden Zauberworte?«
Klar. Sie lauteten: Kein Kommentar! Und seit die Presse Wind davon bekommen hatte, welche Rolle ich im Amanda-Holliday-Prozess spielen würde, hatte ich jede Menge Übung darin, sie auszusprechen. Aber durch diesen Wald von Mikrofonen zu spazieren? Meine Vorstellung von Spaß sah anders aus.
John wartete und musterte mich.
Ich versuchte noch schnell, meine widerspenstigen blonden Locken zu bändigen, und zwang ein Lächeln auf mein Gesicht, von dem ich hoffte, dass es kameratauglich war. Zumindest trug ich ein halbwegs passables Outfit: meine heiß geliebte schwarze Lederhose, die sich stramm über den Hüften spannte, und ein rotes Spitzentop. Also würde ich auf den Bildern nicht allzu schrecklich rüberkommen.
» Ich bin fertig.«
John stieß die Tür auf, und die Reporter drängten sich ihm entgegen.
Eine forsche Rothaarige hielt ihm ihr Mikrofon hin. » Detective Matthews, gibt es neue Entwicklungen im Coleman-Fall?«
Schweigend wich John dem Mikrofon aus.
» Sucht die Polizei magische Unterstützung bei der Aufklärung von Gouverneur Colemans Tod?«
Ein Mikro wurde mir fast ins Gesicht gestoßen, und der dunkelhäutige Reporter fragte: » Konnten Sie mit Colemans Geist reden?«
Sie rieten einfach, fragten aufs Geratewohl. Ich würde bestimmt nicht diejenige sein, die ihnen ihre Antworten gab. Ich schob das Mikro weg.
» Kein Kommentar«, sagte John unfreundlich, während er mich die obersten Stufen hinabgeleitete.
Die Reporter öffneten uns nur eine schmale Gasse. Mikrofone wurden zwischen uns gehalten, trennten mich von John. Ich schaute zu ihm zurück. Aber wir wollten ja nach unten gelangen. Er würde mich schon wieder einholen. Weitere Fragen wurden uns aus der Menge zugerufen, Kameralinsen und Mikrofone auf uns gerichtet.
Ich hatte die Hälfte der Treppe erreicht, als die Luft hinter mir plötzlich deutlich kühler wurde. Leichenkalte Hände legten sich auf meine Schultern, stießen mich mit voller Kraft. Ich fiel, riss die Arme vor, um meinen Sturz abzufangen. Mein Handgelenk knackte, als ich damit aufschlug, doch ich blieb nicht liegen. Der Schwung trug mich weiter nach unten, mein Schädel krachte gegen eine Stufe, mein Knie prallte auf den Beton. Ich kullerte die restliche Treppe hinab, und als ich unten unsanft auf meinem Hintern landete, sah ich, wie eine Kugel die körperlose Brust des Todes durchschlug.
3. Kapitel
L assen Sie mich endlich in Ruhe!« Ich schob die Hand des Rettungssanitäters beiseite, doch bei dieser Bewegung schoss mir der Schmerz durch den ganzen Arm.
Ich spürte, wie mir schlecht wurde, doch ich kämpfte die Übelkeit nieder. Ich hatte einfach nicht die Zeit, ihr nachzugeben. Ich musste weiterlaufen, neben der Trage her. Schritt halten. Den schmalen Faden Energie aufrechterhalten. Etwas Warmes, Klebriges lief mir ins Auge. Ich wischte es mit dem Handrücken weg, sah die frische rote Spur darauf. Aber was machte dieses bisschen schon aus, im Vergleich zu all dem anderen Blut, das an mir klebte– wobei das meiste gar nicht von mir stammte.
Sondern von John.
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