Vom Umtausch ausgeschlossen
Luke fest. »Und in Australien«, fügt er hinzu, als ich den Mund öffne. »Und in Amsterdam.«
Wow, Amsterdam. Das hatte ich ja schon ganz vergessen, dass wir da gewesen sind. Das war nach Paris. Oder war´s davor?
Ach, ja, natürlich. Das war doch da, wo ich so viel von diesen abgefahrenen Kuchen gegessen habe und fast in den Kanal gefallen wäre.
Ich trinke noch einen Schluck und lasse die letzten zehn Monate Revue passieren. Wir waren in so vielen Ländern, dass es mir wirklich schwer fällt, mich an alle Einzelheiten zu erinnern. Das Ganze kommt mir vor wie ein unscharfer Film, in dem hier und da klare, scharfe Bilder auftauchen. Wie wir am Great Barrier Reef mit den vielen blauen Fischen schnorcheln... die Pyramiden in Ägypten... die Elefanten-Safari, in Tansania... wie ich in Hongkong haufenweise Seide kaufe... der goldene Souk in Marokko... wie ich das Ralph-Lauren-Outlet in Utah finde...
Mann, haben wir viel erlebt. Ich stoße einen glücklichen Seufzer aus und trinke noch einen Schluck Saft.
»Ach, übrigens«, sagt Luke und reicht mir einen Stapel Umschläge, »Post aus England.«
Aufgeregt setze ich mich auf und sehe die Umschläge durch.
»Die Vogue!« quietsche ich, als ich die Sonderausgabe für Abonnenten in ihrem glänzenden Plastikumschlag entdecke. »Och, guck doch mal! Die haben eine Engel-Tasche auf dem Cover!«
Ich warte auf eine Reaktion - aber Lukes Blick ist leer. Das frustriert mich jetzt ja schon ein klein wenig. Wie kann er nur so ungerührt dreinblicken? Ich habe ihm doch letzten Monat den ganzen Artikel über die Engel-Taschen vorgelesen, ihm die Bilder gezeigt und alles!
Ich weiß, dass das hier unsere Flitterwochen sind. Aber manchmal wünschte ich mir echt, Luke wäre eine Frau.
»Du weißt schon!«, versuche ich ihm auf die Sprünge zu helfen. »Engel-Taschen! Die allercoolsten, hippesten Taschen seit... seit...«
Ach, ich verschwende ja doch nur meine Zeit. Da gucke ich mir doch lieber lustvoll das Foto der Tasche an. Sie ist aus weichem, cremefarbenen Kalbsleder und hat einen wunderschönen, handgemalten Engel mit Flügeln auf der Vorderseite. Unter dem Bild ist in Strass der Name »Gabriel« appliziert. Es gibt sechs verschiedene Engel, und die Promis kloppen sich nur so um die Taschen. Bei Harrods sind sie permanent ausverkauft. Die Schlagzeile neben dem Foto lautet: »Himmlische Erscheinung«.
Ich bin so hin und weg, dass Lukes Stimme kaum richtig zu mir durchdringt, als er mir einen Umschlag reicht. Ich höre nur »Uuus«.
»Wie bitte?« Benommen sehe ich auf.
»Ich sagte, hier ist noch ein Brief«, erwidert er mit einer Engelsgeduld. »Von Suze.«
»Suze?« Ich lasse die Vogue fallen und schnappe ihm den Brief weg. Suze ist meine allerallerbeste Freundin auf der ganzen Welt. Und ich habe sie so vermisst!
Der Umschlag ist aus richtig dickem, cremigweißem Papier, und auf der Rückseite trägt er ein Wappen mit einem lateinischen Sinnspruch. Ich vergesse immer wieder, wie absolut vornehm Suze eigentlich ist. Zur Veranschaulichung: Auf ihrer Weihnachtskarte an uns war ein Foto vom Schloss ihres Mannes Tarquin in Schottland, und in der Karte stand »Vom Anwesen der Cleath-Stuarts«. (Das konnte man allerdings kaum lesen, weil ihr einjähriger Sohn Ernie alles mit roten und blauen Fingerabdrücken bedeckt hatte.)
Ich reiße den Umschlag auf, und schon fällt mir eine Karte entgegen.
»Eine Einladung!«, rufe ich. »Zur Taufe der Zwillinge!«
Ich betrachte die edle, verschnörkelte Schrift und bin ein kleines bisschen traurig. Wilfrid und Clementine Cleath-Stuart. Suze hat noch zwei Kinder bekommen, und ich habe sie noch nicht mal gesehen. Vier Monate sind sie jetzt schon alt. Wie sie wohl aussehen? Wie es Suze wohl geht? Irgendwie ist so wahnsinnig viel passiert ohne uns.
Ich drehe die Karte um und lese Suzes hingekrakelte Zeilen.
»Ich weiß, dass ihr nicht kommen könnt, aber ich dachte mir, ihr freut euch trotzdem drüber... Ich hoffe, dass alles weiter so super läuft bei euch! Alles Liebe von uns allen, Suze. PS: Ernie ist total vernarrt in sein chinesisches Outfit, tausend Dank!!«
»In zwei Wochen«, sage ich und zeige Luke die Karte. »Echt schade, dass wir nicht hinkönnen.«
»Ja«, stimmt Luke zu. »Wirklich schade.«
Wir schweigen einen Moment. Dann sieht Luke mich an. »Ich meine... Du willst doch noch nicht zurück, oder?«, fragt er unbefangen.
»Nein!«, entgegne ich prompt. »Natürlich nicht!«
Wir sind erst seit zehn Monaten unterwegs,
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