Vom Umtausch ausgeschlossen
an.
Aber eigentlich sollte mich das ja gar nicht überraschen.
Davor hat man uns nämlich am ersten Tag dieses Yoga-Kurses ausdrücklich gewarnt. Es kommt anscheinend häufig vor, dass der eine Partner größere Erleuchtung erfährt als der andere, und dass der andere darauf mit Skepsis oder gar Neid reagiert.
»Du wirst sicher schon bald über die glühenden Kohlen gehen können.« Chandra nickt lächelnd in Richtung der unweit gelegenen, mit weißglühenden, aschebedeckten Kohlen gefüllten Grube, und der Rest der Gruppe lacht nervös. Heute Abend werden Chandra und einige seiner besten Yoga-Schüler uns den Gang über die Kohlen demonstrieren. Das soll unser aller Ziel sein. Angeblich kann der Glückszustand so profund sein, dass man überhaupt nicht merkt, wie die Kohlen einem die Füße verglühen. Man ist hundertprozentig schmerzfrei!
Meine geheime Hoffnung dabei ist ja, dass das auch mit 15 cm hohen Stilettos funktioniert.
Chandra korrigiert meine Armhaltung und geht dann weiter. Ich schließe die Augen und genieße die wärmende Sonne im Gesicht. Ich fühle mich so rein und ruhig, während ich an diesem Berghang in der absoluten Pampa sitze. Nicht nur Luke hat sich in den vergangenen zehn Monaten verändert. Ich auch. Ich bin erwachsen geworden. Meine Prioritäten haben sich geändert. Genau genommen, bin ich ein ganz anderer Mensch geworden. Ich meine, jetzt sehen Sie mich doch mal an! Ich mache Yoga in einem echten Refugium! Ich besinne mich! Meine alten Freunde würden mich wahrscheinlich gar nicht wiedererkennen, wenn sie mich so sähen.
Auf Chandras Anweisung hin nehmen wir alle die Vajrasana -Haltung ein. Von meinem Platz aus sehe ich, wie sich ein alter Mann mit zwei riesigen Taschen Chandra nähert. Die beiden unterhalten sich kurz, wobei Chandra wiederholt den Kopf schüttelt, bis der Mann schließlich wieder im Gebüsch des Berghangs verschwindet. Als er außer Hörweite ist, wendet Chandra sich an die Gruppe und verdreht die Augen.
»Dieser Mann ist ein fliegender Händler. Er hat gefragt, ob jemand von euch an Edelsteinen interessiert sein könnte. Halsketten, billige Armbänder. Ich habe ihm gesagt, dass ihr euch in ganz anderen geistigen Sphären bewegt.«
Einige der Kursteilnehmer um mich herum schütteln fassungslos den Kopf. Eine Frau mit langen roten Haaren sieht nachgerade beleidigt aus.
»Sieht der denn nicht, dass wir uns mitten in einer Meditation befinden?«, fragt sie.
»Er versteht eure Art der geistigen Hingabe nicht.« Chandra lässt einen ernsten Blick über die Gruppe schweifen. »Und es gibt da draußen in der Welt noch viel mehr seinesgleichen. Es gibt Menschen, die nicht verstehen können, dass Meditation Seelennahrung ist. Ihr braucht keine... Saphirarmbänder!«
Einige der anderen nicken zustimmend.
»Aquamarinanhänger an Platinketten«, fährt Chandra abfällig fort. »Das ist doch alles nichts im Vergleich zu dem Glanz, den die Erleuchtung uns verleiht!«
Aquamarin?
Wow. Wie viel die wohl...? Ich meine, nicht, dass mich das ernsthaft interessieren würde. Natürlich nicht. Die Sache ist nur so, dass ich neulich rein zufällig in einem Schaufenster Aquamarine angeguckt habe. Aus rein akademischem Interesse.
Ich sehe der kleiner werdenden Gestalt des alten Mannes nach.
»Drei-Karat-Fassung, Fünf-Karat-Fassung, hat er ständig gesagt. Alles zum halben Preis.« Chandra schüttelt den Kopf. »Ich habe ihm gesagt, diese Menschen hier sind nicht an so etwas interessiert.«
Zum halben Preis? Fünfkarätige Aquamarine zum halben Preis?
Schluss jetzt. Aufhören! Chandra hat Recht. Natürlich interessieren mich diese dämlichen Aquamarine nicht. Ich gebe mich ganz der Erleuchtung hin.
Und überhaupt ist der alte Mann jetzt fast ganz weg. Er ist nur noch ein winziger Punkt dort oben am Berg. Gleich ist er völlig verschwunden.
»Und jetzt«, lächelt Chandra, »die Halasana-Stellung. Becky, zeigst du sie uns?«
»Gerne.« Ich erwidere Chandras Lächeln und bereite mich darauf vor, die gewünschte Stellung einzunehmen.
Aber irgendetwas stimmt nicht. Das Gefühl der Zufriedenheit ist weg. Das Gefühl der inneren Ruhe ist weg. Stattdessen macht sich ein ganz merkwürdiges Gefühl in mir breit und verdrängt alles andere. Es wird immer mächtiger, immer massiver...
Und dann kann ich mich nicht mehr beherrschen. Bevor ich selbst weiß, was ich tue, renne ich, so schnell ich kann, barfuß los den Berg hinauf auf die kleine Gestalt zu. Meine Lungen stechen, meine
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