Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns
übertragen den Weg, den wir auf den Karten festlegen, auf den Computer. Jedes Mal, wenn ich mit der Maus einen Wegpunkt setze, werden die Kilometer addiert, und nach circa 26 Kilometern – plus zehn Prozent Ungenauigkeit – haben wir unsere Tagesroute festgelegt. Die endet entweder in der Pampa, was draußen schlafen bedeutet, oder in einem Dorf, wobei wir nicht wissen, ob es dort einen Gasthof gibt. Manchmal ist es aber auch ein Städtchen, so dass wir ein weiches Bett sicher erwarten können.
Einen bereits existierenden und dokumentierten Wanderweg – den Frankenweg – können wir über eine Strecke von 380 Kilometern nutzen. Er führt am Rande der Fränkischen Alb bis nahe an die Donau heran.
Schließlich liegt der gesamte Treck als ein zyanblaues Band auf der digitalen Karte, und ich überspiele sämtliche Daten und die Karte auf das Navi, das ich in einer Halterung an meinem linken Rucksackgurt tragen werde. Das blinkende GPS-Signal auf der zoombaren Karte im Display ist dann unser jeweiliger Standort, und das zyanblaue Band unser Wegweiser. Die Tagesrouten sollten sich unterwegs zwar verschieben, weil wir uns entweder bei der Eingabe verschätzt oder manchmal auch verlaufen haben, aber unsere Route auf dem Display würde immer die entscheidende Orientierungshilfe sein.
Die Abende der Wegplanung sind gesellig, sie wecken die Vorfreude, schweißen uns zusammen und halten die immer wieder aufkeimenden Zweifel in Schach.
Ja, und auf diese Weise hat sich dann unser Weg geformt: durch die norddeutsche Tiefebene bis nach Braunschweig, dann durch das Harzvorland und über den Hochharz ins Eichsfeld – circa 30 Kilometer östlich an Göttingen vorbei – über die thüringische Landesgrenze in das südliche Eichsfeld und schließlich durch Deutschlands größten zusammenhängenden Laubwald, den Hainich, bis nach Eisenach am Nordwestrand des Thüringer Waldes. Weiter geht es auf dem Rennsteig, bis der Weg ins Coburger Land abbiegt und wir Bayern erreichen. Über Coburg und Lichtenfels und über den berühmten Staffelstein gelangen wir auf den nordwestlichsten Zipfel der Fränkischen Alb, deren nördlicher Teil die Fränkische Schweiz bildet. Durch diese märchenhafte Landschaft hindurch führt der Weg als Frankenwanderweg an der westlichen Abbruchkante der Fränkischen Alb entlang, immer wieder mit Blicken in das Nürnberger Becken hinein, bis die Route unterhalb von Nürnberg nach Westen abknickt, das Altmühltal streift und den Blick auf die Fränkische Seenplatte freigibt. Der Spielberg bei Heidenheim ist einer der westlichsten Punkte unserer Route südlich des Thüringer Waldes. Der Weg wendet sich wieder gen Süden, führt am Ostrand des Nördlinger Ries über Harburg an die Donau in das Städtchen Donauwörth. Jenseits der Donau streckt sich der Weg am Rande Schwabens Richtung Naturpark Augsburg Westliche Wälder und wendet sich schließlich in Türkheim, am südlichsten Zipfel des Naturparks, Landsberg am Lech zu. Den grandiosen Abschluss bildet die Wanderung entlang des Lechhöhenweges nach Füssen mit einem Abstecher in das Ammergebirge.
B ANGES ERWARTEN
Das Frühjahr 2008 ist bis weit in die zweite Hälfte des Aprils hinein kalt und unwirtlich und erschwert in den immer intensiver werdenden Vorbereitungswochen die Vorstellung, in absehbarer Zeit den ersten Schritt zu tun. Aber wie das immer so ist, der Zeitpunkt des Abschieds naht unweigerlich, und am letzten Tag im April, gegen elf Uhr vormittags, klingelt es an meiner Haustür, und mein Wanderbruder Martin steht abmarschbereit vor mir, bepackt mit einem riesigen Rucksack, demgegenüber meiner sich doch recht bescheiden ausnimmt. Fast 17 Kilo hat er da reingestopft, meiner wiegt gerade mal gut 14 Kilo und kommt mir dennoch mörderschwer vor. Dabei haben wir beide doch eigentlich nur das Nötigste mit, und so viel kleiner bin ich nun auch nicht. Na ja, jeder ist seines Glückes Schmied, und Schleppen macht mich nicht glücklich. So habe ich auch nur zwei Paar Socken, zwei Unterhosen, zwei T-Shirts, eine lange, eine kurze Hose, neben den Wanderschuhen ein Paar leichte Halbschuhe, Regenklamotten, ein Fleece, Schlafsack, Unterlegmatte eingepackt, eben das, was aus meiner Sicht unentbehrlich ist. Dennoch treiben Waschzeug, Trinksack, Notnahrung, Sonnen- und Mückenschutzmittel, Medikamente, die vielen kleinen Dinge eben, die man für das tägliche Wanderleben braucht, erbarmungslos das Gewicht in die Höhe.
MITTWOCH, 30. APRIL
LÜNEBURG – WESSENSTEDT
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